Kultur

Ein „einzigartiger Ort“ für den Eurovision Song Contest 2011

von Martin Schmidtner · 28. August 2010
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Vorwärts.de: Wir freuen uns, dass Berlin am vergangenen Freitag sein Konzept für den ESC 2011 beim NDR eingereicht hat. Welche generellen Vorgaben vom NDR oder der EBU waren dabei zu berücksichtigen?

Richard Meng: Die EBU konnte aus reichhaltigen Erfahrungen schöpfen und somit ein anspruchsvolles Anforderungsprofil aufstellen. Dazu gehören vor allem umfassende Vorgaben bezüglich der Größe des Veranstaltungsortes an sich, dem Umfang der Nutzungen der Nebenflächen, der Zuschaueranzahl und Größe der Bühne sowie des Zeitraums, in dem der Veranstaltungsort exklusiv vom Veranstalter genutzt werden kann.

Vorwärts.de: In Internetforen gab es massive Kritik an den vermeintlich nur 8000 oder 9000 Plätzen für Zuschauer bei den Shows. - Für wie viele Zuschauer hat Berlin tatsächlich konzipiert und gab es konkrete Vorgaben für die Zuschauerzahlen? Eine Obergrenze oder eine Mindestanforderung vom NDR oder der EBU?

Richard Meng: Eine Obergrenze ist nicht vorgesehen. Allerdings ist nicht jede große Halle oder jedes Stadion für ein Musicevent wie den Eurovision Song Contest geeignet, denn ab einer bestimmten Größe geht die Atmosphäre des gemeinsamen Erlebnisses und der persönliche Bezug zwischen Zuschauer und Künstler verloren. Und schließlich ist es letztlich eben doch vor allem ein Fernsehereignis. Das Medium bestimmt letztlich doch auch die Form mit. Der Veranstalter hat diesmal vorgegeben, dass mindestens 10.000 Zuschauer die Shows live vor Ort verfolgen können. Diese Anforderung erfüllen wir ohne Probleme mit unserem Nutzungskonzept für Berlin-Tempelhof.

Wie wird es gelingen, in einem stillgelegten Flughafen eine riesige Veranstaltungshalle mit angeschlossenem Pressezentrum zu zaubern? Es wurde bereits über einen Zeltbau berichtet? ( stern.de vom 23.August )

Wir werden die vorhandene Architektur nutzen, aber sie natürlich auch ergänzen. Lassen Sie sich überraschen. Die meisten Aufgaben können aber innerhalb des Gebäudes erledigt werden - denken Sie zum Beispiel an ein großes Pressezentrum.

Wird auf dem Gelände des Flughafens alles vereinigt sein, also Veranstaltungshalle, Pressezentrum und der Euro-Club als abendlicher Treff- und Veranstaltungsort? Oder sind auch andere Teile der Stadt und weitere Orte ins Konzept einbezogen worden?

Unser Angebot sieht vor, dass Berlin-Tempelhof der zentrale Ort für alle Aktivitäten mit unmittelbarem Bezug zum Event ist. Die unmittelbare Nähe des Pressezentrums ist im Übrigen auch eine Vorgabe des Veranstalters. Kurze Wege, effiziente Räumlichkeiten und genug Spielraum für ideenreiches Design der Aufenthaltsbereiche gehören für uns dazu. Der Eurovision Song Contest soll jedoch nicht auf das Areal beschränkt bleiben, sondern in der ganzen Stadt wahrgenommen werden. Hier ist auch jeder aufgerufen und herzlich willkommen, seinen Beitrag zu der Idee eines fröhlichen europäischen Song-Wettbewerbs zu leisten und mit seinen Möglichkeiten zu dem völker- und kulturübergreifenden Event beizutragen.

Gibt es im Konzept des Senats Pläne für eine Einbindung der nicht-akkreditierten Öffentlichkeit? Also ein Eurovision-Village wie in Oslo oder ein Public Viewing am Brandenburger Tor?

Wir sehen den Eurovision Song Contest als ein ganzheitliches Event, das sich nicht auf den Veranstaltungsort und das Finale beschränkt, sondern darüber hinaus strahlt. Über mehrere Wochen werden nicht nur die Künstler und Delegationen, sondern auch die Produktionsmitarbeiter, Sendervertreter, Journalisten und natürlich Fans aus ganz Europa in der Stadt sein. Für sie bietet Berlin ein attraktives Angebot für jeden Geschmack. Darüber hinaus gibt es erste Überlegungen, wie der Senat sowie unsere Partner, die Berlin Tourismus GmbH und die Berlin Partner GmbH, individuelle Programmpunkte anbieten können.

Gab es während der Arbeit am Berliner Konzept Kontakte zu früheren Austragungsstätten?

Wir haben uns bei unserem Angebot ganz auf die Stärken und Möglichkeiten Berlins konzentriert. Jeder Austragungsort ist anders, jedes Austragungsland hat andere kulturelle Schwerpunkte und örtliche Vorzüge. Im Übrigen sind wir mit einem frischen und neuen Konzept angetreten, welches für sich spricht.

Worin liegen Ihrer Meinung nach die Stärken der Berliner Bewerbung?

Berlin hat den Geist für ein solches Event, es hat die Infrastruktur und die logistischen Voraussetzungen. Vor allem aber hat es mit Berlin-Tempelhof einen einzigartigen Ort, der Deutschland im internationalen Ausland sofort erkennbar macht sowie ein Symbol für Völkerverbundenheit ist und damit auch die Idee des Eurovision Song Contest widerspiegelt.

Vorwärts.de: Vielen Dank.

Veranstaltungsorte gab es schon viele in der Geschichte des Eurovision Song Contests: von den kleinen Fernsehstudios der frühen Jahre bis zur Olympiahalle in Moskau oder dem 40.000 Zuschauer fassenden Parken Stadion 2001 in Kopenhagen. Auch die Austragungsorte waren sehr unterschiedlich und keineswegs immer nur Hauptstädte - immerhin gewann Nicole 1982 in Harrogate, einem kleinen englischen Städtchen der Grafschaft North Yorkshire mit weniger als 100.000 Einwohnern. Und erst vor zwei Jahren konkurrierten in Russland die Städte St. Petersburg und Moskau um die imageträchtige Veranstaltung, bis schließlich Wladimir Putin das Ganze zur Chefsache erklärte und den ESC nach Moskau holte. So verwundert es kaum, dass die Bewerbung um die deutsche Gastgeberstadt schon fast olympische Ausmaße angenommen hat. Die European Broadcasting Union (EBU) zusammen mit ARD und dem NDR als verantwortlicher Sendeanstalt haben ihre Wünsche geäußert und es den einzelnen Städten überlassen, Konzepte zu erarbeiten. Wie bereits berichtet ( Link) bewirbt sich Hamburg als Sitz des NDRs ebenso wie Hannover mit seinen Messehallen, die Messestadt Düsseldorf dagegen lockt mit seiner Fußballarena, die nicht nur überdachbar ist, sondern vor allem 50.000 Zuschauern Platz bietet. Berlin hat sich für einen symbol- und geschichtsträchtigen Ort entschieden: nach den Plänen des Berliner Senats und seinen Mitstreitern, der Berlin Tourismus GmbH und der Berlin Partner GmbH, wird der ESC 2011 auf dem Gelände des ehemaligen innerstädtischen Flughafens Tempelhof stattfinden.

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Martin Schmidtner

ist Blogger für kulturelle Events.

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