Unter dem Sozialistengesetz gründete Johann Heinrich Wilhelm Dietz, seit 1875 Leiter der sozialdemokratischen "Genossenschafts-Druckerei" in Hamburg, am 31. Dezember 1881 den
J.H.W.-Dietz-Verlag in Stuttgart.
Literarischer Klassiker der Arbeiterbewegung
Der erste Bestseller des Verlags ist die deutsche Übersetzung von Marx' "Das Elend der Philosophie". Den Ruhm des Hauses begründet die "Internationale Bibliothek". Sie versammelt, was in
Wissenschaft und Arbeiterbewegung Rang und Namen hat, etwa August Bebel über "Die Frau und der Sozialismus". Auf Russisch publiziert Lenin bei Dietz erstmalig seine Schrift "Was tun? - Brennende
Fragen unserer Bewegung".
Ab 1883 erschien im Dietz-Verlag die theoretische sozialistische Zeitschrift "Die neue Zeit", die von Karl Kautsky herausgegeben wurde. Diese Zeitschrift wird zum führenden Theorieorgan der
Arbeiterbewegung. Von 1892 bis 1917 erschien die sozialistische Frauenzeitschrift "Die Gleichheit", die von Clara Zetkin herausgegeben wurde. Sein ambitioniertes Verlagsprogramm finanzierte Dietz
hauptsächlich durch das weitverbreitete sozialdemokratische Satireblatt "Der Wahre Jacob", das er 1879 gemeinsam mit dem Journalisten Wilhelm Blos in Hamburg gegründet hatte.
Vorläufiges Ende des Verlags 1933
1906 übernahm die SPD den Dietz-Verlag als zentralen Parteiverlag. Trotz dieser Übernahme änderte Dietz nicht sein verlegerisches Engagement. 1923 wurde der Verlag von Stuttgart nach Berlin
verlegt, wo er 1924 mit dem Vorwärts-Verlag fusionierte. Die Nationalsozialisten schlossen kurz nach der Machübernahme den Verlag, löschten ihn aus dem Handelsregister und zogen das Vermögen
zugunsten des Landes Preußen ein. Damit endet vorläufig ein literarisches Zentrum für die fortschrittlichen demokratischen Kräfte des Kaiserreichs und der Weimarer Republik.
Neuanfang nach 1945
Mitte der 1950er Jahre wird das Dietz-Erbe durch die Schmidt-Küster GmbH aufgefangen. Erst 1961 gelingt es, die von den Nazis veranlasste Löschung der Firma J.H.W.Dietz Nachf. wieder aufheben
zu lassen.
In der DDR hat die SED schon früh einen anderen "Dietz-Verlag" etabliert, benannt nach einem Karl Dietz aus Rudolstadt. Die Namensgleichheit soll eine Kontinuität mit dem alten Verlagshaus
suggerieren, die es nie gab.
Erst nach 1990 wird gerichtlich erreicht, dass das heute zur Rosa-Luxemburg-Stiftung gehörende Unternehmen unter "Karl Dietz Verlag, Berlin" firmieren muss, um Verwechslungen mit dem Verlag
"J.H.W. Dietz Nachf." mit Sitz in Bonn auszuschließen.
Öffnung für neue Themen
"J. H. W. Dietz Nachf." wird 1973 von der Friedrich-Ebert- Stiftung erworben. Unter Heiner Lindner, ab 1978 Leiter des Verlags, öffnet sich das Verlagsprogramm für neue, gesellschaftlich
kontrovers diskutierte Themen wie Ökologie, Frauen- und Friedensbewegung, Entwicklungspolitik und die Geschichte des Nationalsozialismus.
Trotzdem bleibt der Dietz Verlag der Tradition verpflichtet. Renommierte Reihen wie das "Archiv für Sozialgeschichte" und die "Berliner Ausgabe" der Werke Willy Brandts stehen ebenso wie die
Zeitschriften "Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte" und "Internationale Politik und Gesellschaft für die Ziele des Verlags: Historische Forschung, aktuelle Problemanalyse und Theorie sowie Debatten
der wichtigen Zukunftsfragen.
Interessierte, die sich mit der wechselvollen Geschichte des Dietz-Verlags beschäftigen wollen, können die Ausstellung in der Friedrich-Ebert-Stiftung besuchen.
Friedrich-Ebert-Stitung
Hiroshimastr., Berlin-Tiergarten
Tel. 030/26935836
Stefan Campen
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