Eine Geschichtsstunde, die keine sein soll. Es ist wohl egal, wo Egon Bahr auftaucht, die Geschichte ist immer mit dabei: Ob Kalter Krieg oder Ost- und Entspannungspolitik - Egon Bahr war bei allem dabei. Und so bleibt am vorwärts-Stand auf der Frankfurter Buchmesse die Historie ein bestimmendes Thema.
Denn auch in ihrem Buch widmen sich Egon Bahr und Reinhard Höppner einem Thema mit Geschichte: dem Verhältnis der SPD zur Linken. Dabei macht Bahr vorweg deutlich: Wenn es nach Willy Brandt gegangen wäre, würde das Thema heute ausschließlich in den Geschichtsbüchern behandelt. "Brandt wollte, dass jedes SED-Mitglied, das sich die Hände nicht schmutzig gemacht hatte, erhobenen Hauptes in die SPD eintritt" sagt Egon Bahr. Damit sei er jedoch an den sozialdemokratischen Freunden im Osten gescheitert.
Reinhard Höppner erklärt die Verweigerungshaltung der Ost-SPD mit der Angst vor den gut ausgebildeten und zahlreichen SED-Funktionären: "Die Revolutionäre von 1989 wollten sich nicht von ehemaligen SED-Leuten dominieren lassen."
Die Entscheidung liegt bei der Linken
Als Realpolitiker trauert Egon Bahr aber keinesfalls den Fehlern der Vergangenheit nach, sondern richtet den Blick auf die Gegenwart. "Es gibt die Linke nun einmal und jetzt stellt sich die Frage, wie man mit ihr umgeht", sagt er. Für den Architekten der Neuen Ostpolitik bedeutet das aber nicht zwangsläufig eine Rot-Rot-Grüne Koalition im Bund. "Die Linke ist auf Bundesebene nicht ernst zu nehmen, solange sie außen- und sicherheitspolitische Grundlagen nicht akzeptiert." Dazu gehöre, dass sich die Partei zur NATO und zur Europa bekenne.
Höppner sieht es ähnlich: "Die Entscheidung, ob man mit der Linken im Bund koalieren kann, liegt bei der Linken." Der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt plädiert jedoch dafür, dass die Debatte auf sachlicher Ebene geführt wird und die SPD sich ihre Entscheidungen nicht vom politischen Gegner vorschreiben lässt. Im Zusammenhang mit der Linken würden Vokabeln benutzt, als ob eine Zusammenarbeit mit ihr etwas Unanständiges wäre. Für Höppner ist klar: "Wir dürfen uns nicht vorhalten lassen, dass es sich hierbei um eine moralische Frage handelt."
Egon Bahr stimmt dem zu: "Es gibt nichts Schlimmeres als seine Entscheidungen von ideologischen Unterschieden abhängig zu machen", sagt er - ein Satz, der auch gut in eine Geschichtsstunde gepasst hätte.