Kultur

„Die SPD ist eine Mitnehmer-Partei“

von Karin Nink · 21. September 2014

„Mehr Demokratie wagen!“, das berühmte Zitat von Willy Brandt  aus dem Jahr 1969 ist nun auch Titel eines Buches zur Geschichte der Sozialdemokratie von 1830 bis 2010, das im vorwärts-Verlag erschienen ist.

In einer munteren Diskussion mit SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück stellten die beiden Autoren, der Historiker Peter Willy Brandt und der Politologe Detlef Lehnert, ihr gemeinsames Werk im Rahmen der Leipziger Buchmesse einem  breiteren Publik vor. 

„Wir-Gesellschaft“ als Ziel

Fazit der Debatte: Die SPD war und ist eine „Mitnehmer-Partei“, wie Peter Brandt es formulierte. Und das soll sie nach dem Willen des Kanzlerkandidaten auch bleiben. Er will, dass die „Ich-Gesellschaft“, die sich in den vergangenen Jahren auch unter dem Eindruck von neoliberalen Einflüssen entwickelt hat, wieder zu einer „Wir-Gesellschaft“  wird.  

Steinbrück fordert eine faire und gleiche Bezahlung für Männer und Frauen auf dem Arbeitsmarkt, will  die sozialen Sicherungssysteme stabilisieren und Steuern „für Einige“ erhöhen, um mehr Geld für Bildung zu haben. Er will „die Starken“, die jede Gesellschaft brauche, davon überzeugen, „dass Gemeinwohl und Gemeinsinn das größte Selbstschutzprogramm für sie ist“. Um diese These zu untermauern, benutzt der Kanzlerkandidat gerne das Bild eines Mietshauses: „Wenn es im Untergeschoss bröckelt,  gerät auch das Penthouse in der oberen Etage ins Wanken.“

„Wissen ist Macht“

Mit seinen Positionen steht Steinbrück ganz in sozialdemokratischer Tradition, bescheinigte ihm in Leipzig der Politologe Lehnert: Denn „die Arbeiterbewegung hatte nie nur die materielle Versorgung im Sinn, sondern immer auch die ideellen Werte“. Peer Steinbrück betonte, wie wichtig auch heutzutage noch die Förderung von frühkindlicher  Bildung sei. Nur so ließen sich möglichst alle Kinder an „Bildung und einiges mehr“ heranführen. Denn, so der Kanzlerkandidat, „Wissen ist Macht“.

Humorig wurde es, als Peter Brandt, Sohn eines demokratisch gewählten deutschen Bundeskanzlers, verriet: „Im Alter von acht Jahren wollte ich deutscher Kaiser werden,  das hat man mich nicht gelassen. Aus Frust darüber bin ich Historiker geworden.“   Steinbrück konterte prompt: „Stellen sie sich mal vor, ich wollte Journalist werden.“

Themenklau der Union

Als solcher hätte er sicher, wie er es als SPD-Kanzlerkandidat auch tut, die Untätigkeit der Merkel-Regierung gebrandmarkt: Nach dem Motto: „Am Abend werden die Faulen fleißig“ versuche die Regierung von Union und FDP nun, vor der Bundestagswahl, den Eindruck zu erwecken, soziale Probleme wie Altersarmut oder Niedriglöhne anzugehen. Aber „auf dem Etikett steht etwas drauf, was nicht in der Packung drin ist“, so Steinbrück. Das gelte für die so genannte Lebensleistungsrente, durch die arme Rentner kaum mehr Geld bekämen; es gelte aber auch für die Lohnuntergrenze, mit der Schwarz-Gelb den Eindruck erwecken wolle,  für eine Art  Mindestlohn zu kämpfen. Das sei aber nicht der Fall. „Abhängig Beschäftigte mit einem niedrigen Stundenlohn laut Tarifbindung gucken dann in die Röhre“, warnte Steinbrück vor dem Unionsmodell.  

Diese Art von Themenklau seitens der Union beobachtet auch Brandt. Im Wissenschaftler-Deutsch klingt das dann so:  „In der Tat versuchen alle, den Eindruck zu erwecken, die soziale Gerechtigkeit nach vorne schieben zu wollen.“

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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