Eine bittere Bilanz. Ein paar wenige multinational operierende Superreiche enthalten den Finanzministern dringend benötigtes Steuergeld vor. Unterstützt werden sie von vier großen „steuergestaltenden Multis“. Das beschreibt der Wirtschaftsanwalt Achim Doerfer seinem Buch „Die Steuervermeider“.
Unaufgeregt, fast leidenschaftslos und mit viel Sachverstand untersucht der Dr. Achim Doerfer wie eine „unerforschte Parallelgesellschaft“ planmäßig ihren Superreichtum vermehrt und – die logische Folge am anderen Ende der Skala – „wir um Milliarden betrogen werden“, so der Untertitel des Buches.
Bodum und Ikea
Es kann so einfach sein. Die Gebrauchsanweisung steht im Internet, auf der Webseite des dänischen Haushaltsgeräteherstellers Bodum: Dort heißt es, die Firma halte „zahlreiche Marken sowie designrechtlich und patentrechtlich geschützte Produkte. Inhaberin dieser Rechte ist die Pi-Design AG, CH-Triengen“.
Diese dem Verbraucher unbekannte Firma, die seit 1983 existiert, wird auch von Dänen geführt: „Wenn man es richtig angeht, zehren die Lizenzen für Patente, Markenrechte und Designrechte den Profit auf, und alle Gewinne können zu ein paar Prozent und damit viel geringer als in Dänemark in der Schweiz versteuert werden“, schreibt der Autor. Ähnlich wie Bodum hält es der Ikea-Gründer Ingvar Kamprad.
Betreut von den „großen vier“ Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften PricewaterhouseCoopers, KPMG, Ernst & Young sowie Deloitte, haben die Superreichen „zunächst in den USA, jetzt aber auch in Deutschland“ ganz reale „parallelgesellschaftliche Strukturen“ herausgearbeitet, die sie sich zunehmend selbst verordnen. Und die Banken, so hat es ein ehemaliger Steuerfahnder Journalisten der „Süddeutschen Zeitung“ gesteckt, haben mehr als ein halbes Dutzend Modelle entworfen (und praktizieren sie), wie der Mann von Geld dem deutschen Fiskus ein Schnippchen schlägt. Zynisch spricht die Branche von „sieben Wegen ins Glück“.
Was tun?
Warum gehen demokratisch gewählte Regierungen so zimperlich mit den Reichen und Superreichen um, die nur einen Bruchteil dessen versteuern, was Arbeiter und Angestellte, Mittelständler und Etwas-Mehr-Verdiener von ihrem Verdienst oder Überschuss an das Finanzamt geben? Mir der reinen Forderung nach mehr Personal ist es wohl nicht getan: „Was soll das bedeuten? Dass man die Großen erst dann effektiver verfolgen kann, wenn man mehr Personal hat, weil das jetzige Personal zur Verfolgung der Kleinen benötigt wird?“, fragt Doerfer.
Warum fehlt der Mut vor Krösusthronen? Doerfer kann da auch nur mutmaßen. Falls jedoch jemand im Deutschen Bundestag oder dem Bundesfinanzministerium Zahlen braucht, Zusammenhänge analysiert haben möchte und Millionen und Abermillionen auf der Spur sein sollte: Mit diesem Sachbuch wird er klüger. Und wir Steuerzahler, Bundes- und Landtags- sowie Europawähler sind es auch.
Achim Doerfer: „Die Steuervermeider. Wie wir um Milliarden betrogen werden“ Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2014, 256 Seiten, 19,99 Euro. ISBN 978-3-455-50322-7
Matthias Dohmen hat Germanistik, Geschichte, Politologie und Philosophie studiert, arbeitet als freier Journalist und ist 2015 mit einer Arbeit über die Rolle der Historiker West und Ost im "deutschen Geschichtskrieg" promoviert worden.