Kultur

Die Rückkehr ins Paradies

von ohne Autor · 3. Mai 2013

Ist die Arbeitnehmer-Republik Deutschland hoffnungslos von Konkurrenzwahn und Erfolgsdruck zerfressen? Oder lassen sich diese Auswüchse überwinden? „Frohes Schaffen“ ist ein ironisches Plädoyer für mehr „Wir“ als „Ich“.

Was wird in dem Filmemacher Konstantin Faigle vorgegangen sein, als den Mai-Kundgebungen für „gute Arbeit“, also gegen Lohndumping und all die anderen Formen der Prekarisierung, die Straßen gehörten? Schließlich, so die Grundthese seiner satirisch-essayistischen Doku-Fiktion „Frohes Schaffen. Ein Film zur Senkung der Arbeitsmoral“, ist der krisengeschüttelte Kapitalismus, wie wir ihn bislang mit seinen, wenn auch nach und nach geschredderten Sicherheiten kannten, ohnehin kaum zu retten. 

„Nur, wenn wir begreifen lernen, dass Arbeit ein gedankliches Konstrukt ist und wir frei sind, diesen Begriff neu zu definieren, sind wir offen für eine humane und friedliche Zukunftsgesellschaft“, sagt Faigle über seinen Film. „Wir brauchen insgesamt dringend eine neue Gesamtvorstellung von Arbeit, von Produktion und Leben auf diesem Planeten.“ Demnach werden faire Löhne in Zukunft womöglich die kleinste Sorge sein, sollte sich nicht  grundlegend etwas ändern.

Mancher mag in solchen Äußerungen ein überzogenes Untergangsszenario oder bedeutungsschwangere Rhetorik sehen. Doch „Frohes Schaffen“ ist alles andere als ein überengagiertes Statement. Vielmehr lebt die verästelte Mischung aus Spielszenen, Interviews und dokumentarischen Schnipseln von einer Leichtigkeit, die den geistigen Kern des Ganzen umso besser hervortreten lässt.

Zwei Prozent in der Produktion

Dafür hat der 42-jährige Regisseur den weltweit vielleicht prominentesten Kritiker der zeitgenössischen Arbeitswelt vor die Kamera geholt: Schon vor Jahren polarisierte der US-Soziologe und Ökonom Jeremy Rifkin mit seinem Buch „Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft“. Rifkin zufolge werden im Jahr 2020 nur noch zwei Prozent der Weltbevölkerung in der Produktion tätig sein. Wegen der fortschreitenden Digitalisierung erfasse der Kahlschlag allerdings auch die Dienstleistungsbranche. Und das nicht nur in den reichen Industrienationen. Ist die Menschheit am Ende also gezwungen, grundlegend anders zu wirtschaften, um zu vermeiden, dass sich Konkurrenzdenken, Leistungskult und soziale Spaltungen nicht nur innerhalb der bisherigen Wohlstandsnationen weiter verschärfen?

Rifkins mit staatsmännischer Aura vorgetragene Prognosen bilden gewissermaßen den objektiven Rahmen für Faigles Erzählung, die zunächst mehreren Pfaden folgt und diese in einer Art Paradies der glücklichen Werktätigen oder der ebensolchen Aussteiger zusammenführt. Nach dem Motto: weniger Arbeit gleich mehr Lebensqualität. Wird nicht ohnehin seit Jahren gepredigt, man müsse die Arbeit nur besser verteilen, damit niemand zu kurz kommt? Widersprechen Stress und Erfolgsdruck nicht ohnehin der menschlichen Natur? Kann man nach den gewitzten Ausführungen des US-amerikanischen Historikers Benjamin Hunnicutt eben dazu überhaupt noch anderer Meinung sein?

Ausgebrannt und gefeuert

Dass Selbstausbeutung und fehlende soziale oder familiäre Bindungen oft einhergehen, schwingt nicht nur in den Gesprächspassagen mit Experten und Kommentatoren mit. Was uns als „Erwerbswesen“ schadet und was uns retten könnte, macht der Film an einigen fiktiven, aber exemplarischen Protagonisten deutlich, auf die wohl jeder schon einmal im wahren Leben gestoßen ist. Gerade in jenen, wenn auch etwas holzschnittartigen Mini-Porträts wird angedeutet, was jene Vereinzelung konkret mit sich bringt. Da ist zum Beispiel der alleinstehende Ingenieur, der bis zum Umfallen arbeitet, seine Krankenkasse um eine Burnout-Kur anfleht und am Ende doch gefeuert wird. Oder die ebenso einsame Producer-Freelancerin, die nur dafür lebt, Film-Aufträge an Land zu ziehen und fast zusammenbricht, wenn sie sich eine Abfuhr einhandelt.

Trotzdem bleibt genügend Raum, um die Figuren ironisch zu brechen: Faigle formt aus ihnen ein Ensemble für eine übergeordnete Erzählung, an deren Ende sich Glück und Erlösung über die Einsicht in das ergeben, was wirklich im Leben zählt. Dem Ingenieur erscheint ein Glücksengel in Form eines mofafahrenden Müßiggängers, der seines technischen Sachverstands bedarf. Ach, hätte er diesen und noch viel mehr von sich doch viel früher in den Dienst seiner Mitmenschen gestellt! Selig tuckert er nun mit dem Kleinkraftrad im Abendrot über einen Kölner Garagenhof.

Naturgemäß sind jene fiktiven Episoden, die miteinander verquickt werden, nicht ganz auserzählt, weswegen die jeweiligen Wendungen hin zu einem neuen Leben mitunter etwas abrupt anmuten. Mögen auch die essayistischen Zwischenspiele teilweise mehr gewollt als gekonnt wirken. Doch alles zusammen ist so locker-ironisch zusammengerührt, dass am Ende die Lust überwiegt, jenseits der Tagespolitik darüber nachzudenken, was uns verbindet und was uns trennt.

 

Info:
„Frohes Schaffen. Ein Film zur Senkung der Arbeitsmoral“ (D 2012), ein Film von Konstantin Faigle, mit Helene Grass, Hubertus Hartmann, Roland Jankowsky, Nina Proll u.a., 98 Minuten.

Ab sofort im Kino

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