Er ist ein alter Fahrensmann, der ukrainische Kapitän Alexander Wdowichenko. Nicht wirklich ein Seebär, eher ein Flussbär, hat er doch fast seine ganzen 35 Jahre Schifffahrt auf seiner geliebten Donau zugebracht. Einige wenige Jahre gehörte er für seine Regierung auch der gemeinsamen Donau-Kommission der Anrainerstaaten an. Dienstsitz war Budapest. "Aber ein Schreibtischjob, das war nichts für mich. Ich musste wieder an Bord eines Schiffes", lacht der stämmige Schiffer in der Uniform mit den vier goldenen Streifen am Ärmel. Seit fünfzehn Jahren nun führt er die UKRAINA und auch mal ihr Schwesterschiff. Jetzt steht er am Fahrstand in der Backbordnock der Brücke und beobachtet, wie die Gangway eingeholt und die Leinen losgemacht werden. Dann legt er den Hebel um: Rasselnd drückt das Bugstrahlruder langsam das Vorschiff der UKRAINA von der Pier, die beiden Heckschrauben wirbeln los und schieben den langen schmalen Schiffsrumpf in die Strommitte. Auf dem Promenadendeck stehen die Passagiere und beobachten das Ablegemanöver. Die Flusskreuzfahrt einer etwas anderen Art hat begonnen. Kirchtürme, Cowboys und eine tanzende Küchenmamsell Natürlich gibt es auch auf dieser Reise so etwas wie das Standardprogramm: Da ist schon mal die Fahrt auf diesem geschichtsträchtigen Strom mit seinen abwechslungsreichen Passagen und vielfältigen Uferlandschaften. Steil, dicht bewaldet und manchmal mit schroffen Felsabstürzen hinter Passau, sanfte waldige Hügel auf der einen Seite, Weinbergterrassen auf der anderen in der lieblichen Wachau, urwaldähnliche flache Auenlandschaften in den Donauauen bei Wien. Mal mäandert der Fluss in engen Windungen mit schnellen Wirbeln um steile Felsvorsprünge, mal fließt er gerade und scheinbar gemächlich dahin. An den Ufern und in den Seitentälern liegen Dörfer und kleine Städte mit ihren barocken Kirchtürmen, auf steilen Felsvorsprüngen hoch über dem Fluss ragen Burgruinen und Burgen mit zinnenbewehrten Türmen in den Himmel, prächtige Schlösser und alte Abteien glänzen von Bergen und Hügeln beiderseits des Stroms. Zum touristischen Pflichtprogramm gehört etwa das Stift Melk, die Perle barocker Baukunst, das schönste Kloster an der Donau. Selbst Umberto Eco erweist ihm seine Reverenz: Sein Roman "Der Name der Rose" gibt die - fiktiven - Aufzeichnungen des Mönches Adson von Melk als Quelle an. Krems und Dürnstein in der Wachau mit Weinprobe bei einem Winzer gehören ebenso zum Ausflugsprogramm wie eine Fahrt in die Puszta samt Ziehbrunnen und Reitervorführung der Tschikhoschen, der ungarischen Cowboys in ihrer malerischen Tracht. Und natürlich Rundfahrten und Rundgänge in Budapest, Bratislava und Wien, das Captains-Dinner und die Crew-Show, wo sich etwa die dralle Küchenmamsell unerwartet mit einer Tanz- und Gesangseinlage in ukrainischer Volkstracht als Showtalent entpuppt. "Eine richtige Rampensau", wie der Reiseleiter als Theaterfreund anerkennend feststellt. Beim Dinner ein Ex-Minister Das alles gibt es auch so ähnlich bei den meisten Donau-Kreuzfahrten. Doch auf der UKRAINA flattert vorn im Mast die Flagge des SPD-ReiseService. Und wenn sich manches Parteimitglied, das nur die Anzeigen dieses Reiseveranstalters im "vorwärts" sieht, schon mal die Frage gestellt haben wird, wozu um Himmels willen die Partei einen eigenen Reiseservice hat, so können die Teilnehmer an diesen Reisen die Frage beantworten: Man reist mit Freunden, mit SPD-Mitgliedern oder mindestens Freunden der Partei. Und erhält ein Angebot, dass weit über die touristische Routine hinausgeht. Auf dieser Kreuzfahrt hat der SPD-Reiseservice Reinhard Klimmt, den ehemaligen Ministerpräsidenten des Saarlandes und ehemaligen Bundesverkehrsminister, als Reisebegleiter gewonnen. Zum politischen Gespräch mit ihm kommen am zweiten Abend gleich mehr als zwei Drittel der rund 150 Reiseteilnehmer und erleben einen Zeitzeugen der jüngeren Politik, der nicht nur lange Zeit "dicht dran" war, sondern auch ungemein farbig erzählen kann und noch immer ein äußerst scharfsinniger Beobachter und Analytiker der aktuellen Politik ist. An einem weiteren Abend im wieder voll besetzten Salon zeigt er, dass er nicht nur ein kluger, nachdenklicher Politiker ist, sondern auch ein herausragender Schreiber. Er liest zunächst einen Text aus seinem Buch "Auf dieser Grenze lebe ich", das seine mehr als vier Jahrzehnte in der Grenzregion zwischen Frankreich und Deutschland literarisch brillant verarbeitet. Sein zweites Buch "überall und irgendwo" versammelt Kolumnen "aus der Welt der Bücher", sie zeigen seine lebenslange Liebesbeziehung zur Literatur, die sich bei dem leidenschaftlichen Büchersammler in einer Bibliothek von weit mehr als 10 000 Bänden niedergeschlagen hat. Und von dieser Liebe zu der Welt der Bücher berichten die kleinen Geschichten, die er vorliest, ebenso sprachmächtig wie amüsant."Ein Politiker, der derart farbig schreiben kann!" Die Zuhörer sind begeistert. Budapest präsentiert sich auf der Stadtrundfahrt mit aufwändig restaurierten Palais und imposanten herrschaftlichen Wohnblocks aus der Zeit der Donaumonarchie. In den Einkaufsstraßen drängen sich Luxusshops und Edelboutiquen. Janosz Molnar von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Budapest vermittelt am Abend beim politischen Gespräch im Salon einen Blick hinter die glänzende Fassade. Ungarn ist heute das westliche Land mit der größten Verbreitung an rechtsradikalem Gedankengut. Besonders die Jugend neigt zum Rechtsextremismus. Verlierer im Land sind die Rentner und die Roma. "Hinter einer deutschen Fassade lauert eine balkanische Realität", ist sein bitteres Fazit. Blick hinter die Kulissen des roten Wien Der "Gastgeber", der Reiseleiter des SPD-Reiseservice, ist auch ein politisches Schwergewicht. Heinz Kommenda, unüberhörbar ein Wiener und langjähriger Bundesbildungssekretär der österreichischen Schwesterpartei SPÖ, ist auf einer Donau-Reise in seinem Element. Seine stupenden politischen und historischen Kenntnisse, seine persönliche Bekanntschaft etwa mit allen sozialdemokratischen österreichischen Bundeskanzlern von Kreisky bis Gusenbauer und seine engen Kontakte auch zu zentralen Figuren der deutschen Sozialdemokratie, von Willy Brandt bis Erhard Eppler, von Hans Jochen Vogel bis zu Egon Bahr oder Björn Engholm, machen ihn zu einem fast unerschöpflichen Quell politischer Geschichten und Geschichtchen, von Erinnerungen an denkwürdige Ereignisse und von politischen Döntjes und Anekdoten. Die Krise der österreichischen Sozialdemokraten erläutert er scharfsinnig und mit galligem Humor. Legendär ist seine Führung durch das politische Wien, von der Keimzelle der österreichischen Sozialdemokratie, die versteckt in einem Hinterhofgebäude hinter einem Hotel liegt, bis zum denkwürdigen Abschluss am Karl-Marx-Hof im Herzen des "roten" Wien. Wohl selten hat man ein bedeutsames Stück aus der Geschichte der Arbeiterbewegung so anschaulich erleben können. Kassierer-Workshops mit Flussblick Da an dieser Reise auch rund dreißig SPD-Ortsvereinsvorsitzende und Kassierer teilnehmen, bietet Brigitte Rose aus dem Büro der SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks noch zwei Workshops für Interessierte an. Erstaunlich genug: Die Nachfrage ist groß, die Gelegenheit, sich auszutauschen und einiges zu klären, was man für seine politische Arbeit schon immer mal genauer wissen wollte, wird gern wahrgenommen. Nicht zu vergessen ist noch Marcus Hochheimer vom SPD Reiseservice, einer der Organisatoren der Kreuzfahrt, Ansprechpartner, Kummerkasten - der Mann für alle Fälle. Seine gute Laune scheint unverwüstlich zu sein. Leicht auszumachen ist er in der Reisegruppe mit seinen1,96 Metern. Er tüftelt bereits daran, wie man solche und ähnliche Reisen noch attraktiver und spannender für politisch Interessierte machen kann, vielleicht auch als maßgeschneiderte Angebote für Ortsvereine. Und so kann man noch einmal versuchen, die Frage zu beantworten: Wozu braucht die Partei den eigenen Reiseservice? Vielleicht auch dazu, um in Zeiten, wo die Bindungskräfte auch unserer SPD schwächer werden, wie Soziologen versichern, gemeinsam mit Gleichgesinnten etwas zu erleben, auch etwas zu lernen, hinter die touristischen Fassaden zu schauen und ein wenig vom wirklichen Leben der Menschen vor Ort zu erfahren. In der sozialdemokratischen Gemeinschaft kann man vielleicht auch ein Stück neuer Selbstvergewisserung und Bestätigung für den politischen Alltag zu Hause gewinnen. Die Arbeiterbewegung war immer auch eine gemeinschaftliche Bildungsbewegung. Daran knüpfen die Reisen des SPD-ReiseService in leichter, lockerer Form an. Vielleicht sollte auch die Arbeit im Ortsverein zukünftig ein Stückchen in diese Richtung gehen. Diese Kreuzfahrt gibt es übrigens noch einmal im Herbst vom 10. bis zum 17. Oktober. Dann ist der ehemalige SPD-Parteivorsitzende und Ministerpräsident von Schleswig-Holstein Björn Engholm der politische Reisebegleiter. Klingt doch auch ziemlich spannnend.
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