Kultur

Die Mutter und die Nazi-Zeit

von Die Redaktion · 13. Oktober 2006

Zumindest für den moralischen Widerstand wäre die als gläubige evangelische Christin beschriebene junge Frau hoch geeignet, die da kurzatmig und hochschwanger durch das Rom des Jahres 1943 wandert, um zu einem Kirchenkonzert zu gelangen. Friedrich Christian Delius beschränkt sich auf diesen Fußmarsch und schildert ihn in einem inneren Monolog, der dem Leser die Umstände ihres Rom-Aufenthaltes nach und nach enthüllt. Sie sehnt sich nach ihrem Gatten, den es auf den afrikanischen Kriegsschauplatz verschlagen hat, und der in der Wehrmacht kämpft. Doch zu keinem Zeitpunkt gestattet sich die junge Frau mehr als kleinteilige Irritationen darüber, wie das wohl alles zusammenhängt, was der Krieg ihr an Unbill gebracht hat.

So zeichnet Delius ein "Bildnis der Mutter als junge Frau", das unvermutet exemplarisch einen Blick darauf frei gibt, was auch noch dazu gehört, um wenigstens zu verstehen, was da in Nazi-Deutschland möglich wurde. Er beschreibt die eigene Mutter und tut das in einer kurzatmigen Erzählform, die nur durch Kommata trennt, was der jungen Frau Atemzug für Atemzug durch den Kopf geht.



Friedrich Christian Delius: "Bildnis der Mutter als junge Frau". Rowohlt

Berlin, 128 Seiten, 14,90 Euro,

ISBN 3-87134-556-3

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