Lassen sich Sport und Politik voneinander trennen? Der Dokumentarfilm „The Iran Job“ hebt diese Frage auf ein ungewohntes Niveau: Er erzählt vom Gastspiel eines US-Basketball-Profis im Mullahstaat. Schneller, als ihm lieb ist, wird ihm klar, dass er sich nicht nur mit dem Einzug in die Play-offs herumschlagen muss.
Kevin Sheppard ist das Sinnbild des pragmatischen Amerikaners. In die US-Liga NBA hat er es nicht geschafft. Also tingelt er durch Israel, China und Südamerika. Plötzlich liegt ein Angebot aus dem Iran auf dem Tisch. Also von jenem Staat, in dem die USA seit mehr als drei Jahrzehnten keine Botschaft mehr haben und der mit Washington wegen angeblicher Gelüste nach Atomwaffen im Dauerclinch liegt. Trotzdem packt Sheppard im Herbst 2008 seine Sachen, um den Erstligisten AS Shiraz auf Vordermann zu bringen. Zu einer Zeit, als sich der scheidende US-Präsident George W. Bush in martialischen Drohungen gegen Teheran ergeht und niemand ahnt, dass die Iraner wenige Monate später gegen ihre Führung aufbegehren werden. Der deutsch-amerikanische Filmemacher Till Schauder hat das Abenteuer ein Jahr lang begleitet.
„Man muss das Vertraute verlassen und sich dem Unvertrauten stellen“, sagt Sheppard, nachdem er in sich hineingehorcht hat. An Unvertrautem hat das neue Zuhause einiges zu bieten: Zum Beispiel Frauen, die sich wie Diebe aus dem Haus stehlen, weil sie befürchten müssen, verprügelt zu werden oder hinter Gitter zu wandern. Schließlich ist es ihnen verboten, sich in der Wohnung eines Mannes aufzuhalten, mit dem sie weder verwandt noch verheiratet sind. Und die zeitweise sogar von den Basketballspielen ausgesperrt werden, weil es dem Regime gerade in den Kram passt. Doch auch in eher profanen Dingen muss sich der Sportler umstellen: Wo soll er Ende Dezember einen Weihnachtsbaum auftreiben?
Erdrückende Vorschriften
„Von der Politik halte ich mich lieber fern“, sagt Sheppard kurz nach seiner Ankunft in der südiranischen Metropole Shiraz. Und landet doch mittendrin. Nämlich in Form von drei jungen Frauen, die er beim Teamarzt kennenlernt. Von Mal zu Mal öffnen sich die drei Arzthelferinnen und erzählen von ihrem schwierigen Alltag unter Ahmadinedschad – selbst wenn dieses Leben während der ausgelassenen Gespräche unendlich weit weg zu sein scheint. Vor der Kamera legen Hilda, Elaheh und Laleh sogar ihr Kopftuch ab. Doch sobald sie durch die Tür sind, überwiegt der Druck der Konventionen.
Aus dem Gegenüber der öffentlichen und privaten Welt Sheppards gewinnt der Film seine Dynamik und auch seinen eigentlichen Reiz. Zwar berühren auch jene Momente, wenn er mit seinen iranischen Spieler-Kollegen in der Kabine Faxen macht, als wäre es das Normalste der Welt. Oder wenn der Basketballstar im Bazar erkannt wird und ihm ein älterer Herr zuraunt, er liebe alle dunkelhäutigen Menschen und habe während einer Reise nach Tennessee Marihuana geraucht.
Doch vor allem, wenn die drei Freundinnen sich aufs Sofa setzen und der iranisch-amerikanische Dialog beginnt, gewinnt der Film seine eigentliche Tiefe. Dann wird die ganze Dramatik deutlich, die Sheppards Altersgenossinnen durchmachen. Dennoch bleiben gerade die Zwischentöne hängen. Laleh schimpft auf den Islam, weil er Frauen herabsetze. Dennoch will sie im Iran bleiben, um für Verbesserungen, nicht nur für Frauen, zu kämpfen. Laleh kontert, es sei nicht die Religion, sondern „unsere kranke Kultur“, die all das hervorgebracht habe.
In diesen Situationen wird Sheppards Entschluss, sich aus allem Heiklen heraus zu halten und einzig daran zu denken, seinen Klub nach ganz oben zu bringen, auf die härteste Probe gestellt.
Nach der Revolution
Man erfährt nicht, was dabei in ihm hervorgeht. Zunächst wirkt er wie ein staunendes Kind. Irgendwann beginnt es in ihm zu arbeiten. Am Ende sagt er: „Als Afro-Amerikaner weiß ich, dass es sich lohnt, für Veränderungen zu kämpfen.“ Zu jener Zeit ist die Grüne Revolution gescheitert. Im Film ist die sterbende Studentin Neda zu sehen, die zur Symbolfigur der verzweifelten Proteste gegen die zweite Amtszeit für Präsident Mahmud Ahmadinedschad wurde. „Das hätte auch eine der Frauen aus Shiraz sein können“, sagt Sheppard, nunmehr zurückgekehrt in die USA. In der Tat bekommen nun auch jene Freundinnen den wachsenden Druck des Regimes zu spüren.
Vertrautes und Unvertrautes: Von diesem Gegensatz lebt auch dieser Film. Schauder hat ihn auf sich allein gestellt mit einem Camcorder gedreht. Eingereist ohne Journalistenvisum, agierte er in ständiger Angst, von den Behörden entdeckt zu werden. Dennoch ist das Ergebnis alles andere als düster oder bedrückend. Zugegeben, wer kennt nicht all die antiamerikanischen Losungen und grimmigen Konterfeis der Revolutionsführer an den Fassaden. Dennoch zeigt uns Schauder ein Land, das diese Klischees im wahrsten Sinne des Wortes überstrahlt. Nicht nur dank der kräftigen Wintersonne, die Straßen und Paläste erfüllt: Vor allem wegen der Menschen, die mehr und mehr drohen, vergessen zu werden.
Info: The Iran Job (USA/Iran 2012), ein Film von Till Schauder, OmU, 91 Minuten. Ab sofort im Kino