Kultur

„Die Migrantigen“: Der Blick der Rassisten als Lachnummer

Zwei Zuwanderer verwandeln sich in Klischee-Clowns, um im Fernsehen groß rauszukommen: Die österreichische Komödie „Die Migrantigen“ nimmt den einseitigen Blick vieler Bürger und Medien auf multiethnische Milieus aufs Korn.
von ohne Autor · 8. September 2017
Film „Die Migrantigen“
Film „Die Migrantigen“

Fast jeder zweite Wiener hat einen Migrationshintergrund. Doch der Blick der anderen 51 Prozent auf Zuwanderer ignoriert die gewachsene Vielfalt, es dominieren Klischees und Abgrenzung. Daran haben auch die Mainstream-Medien ihren Anteil, zeigen sie doch Migranten vor allem als Verlierer oder Kriminelle, im Volksmund abschätzig „Migrantige“ genannt. Das ist die Ausgangssituation des Films. Und schnell wird deutlich, dass sie absolut realistisch ist. Nicht nur bezogen auf Österreich.

Hans Moser statt Gangsta-Rap

In Film und Fernsehen spielen Zuwanderer, zumal aus Südosteuropa oder muslimischen Ländern nur als Verlierer oder Kriminelle eine Rolle. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Schauspieler Benny ist das, was man „bestens integriert“ nennt. Wären nur nicht seine schwarzen Haare. Seit Jahren wird der gebürtige Wiener, dessen Vater mutmaßlich dem südlichen Mittelmeerraum entstammt, in Filmen nur als arabischer Taxifahrer oder in ähnlichen Schema-F-Rollen besetzt. Dabei ist ihm Hans Moser viel vertrauter als die Welt der kleinen muslimischen Leute, die vor allem das fiktive Multikultiviertel Rudolfsgrund bevölkern. Viel lieber tummelt er sich mit seinem Freund Marko in der Szene der kreativen Hipster. Auch Marko, dessen Familie aus Ex-Jugoslawien stammt, schlägt sich mit seiner Werbeagentur mehr schlecht als recht durch. Und täglich wächst der Schuldenberg. Umso größeren Wert legt er auf das, was für ihn Stil ist: trendiger Bart, vegetarisches Essen und teure Fahrräder. Wie ein Urban-Hipster-Abziehbild in Berlin-Mitte.

Beider Stimmung ist mies, doch an einem sonnigen Nachmittag im Rudolfsgrund naht Rettung: Eine Fernsehjournalistin sucht typische, also mehr oder weniger heruntergekommene Anwohner für ein Interview. Plötzlich steht sie vor Benny und Marko. Der frustrierte Nachwuchsmime wittert die große Chance: Marlene Weizenhuber soll bekommen,was sie sucht. Somit wird Benny blitzschnell zu Omar, einem Arabboy mit Vorliebe für Gangsta-Rap und derben Slang. Und der distinguierte Marko verwandelt sich in den nicht minder halbseidenen und großmäuligen „Jugo“ namens Tito. Und siehe da: Nach der gemeinsamen Tour durch den Kiez ergibt sich, dass die Weizenhuber mit ihnen eine längere Dokumentarfilmserie drehen will. Und dann, so hoffen sie, haben sie ausgesorgt. Natürlich kommt alles ganz anders.

Rassismus und Sensationslust in der Alpenrepublik

Zwei hippe Migranten spielen Camouflage und werden so erst zu dem, wofür andere sie halten, nämlich dem genauen Gegenteil. Dieser Stoff bietet großartiges komödiantisches wie satirisches Potenzial. Der österreichische Regisseur Arman T. Riahi versteht seinen Film als Seitenhieb auf Rassismus und Sensationslust in der Alpenrepublik. Der Sohn iranischer Eltern, der mit den beiden Hauptdarstellern Faris Rahoma und Aleksandar Petrovic das Drehbuch schrieb, verarbeitet darin persönliche Erfahrungen. „Auch in unserer eigenen Kindheit und Jugend haben wir die Erfahrungen gemacht, dass man irgendwann einmal verstehen muss oder einsehen muss: Man ist doch ein bisschen anders als die anderen“, sagte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. „Man hat doch diesen sogenannten Migrationshintergrund, der dann ja leider nicht im Hintergrund bleibt, der wird ja immer in den Vordergrund gebracht.“

Umso bedauerlicher ist es, dass „Die Migrantigen“ nicht so recht zündet. Omar und Tito prollen vor Weizenhubers Kamera herum, was das Zeug hält („Ghetto..bäääääm!“), doch Show bleibt eben Show. Schon komisch, dass ausgerechnet die gewitzte Fernsehfrau das nicht durchschaut. Unabhängig davon läuft sich die Parodie-Masche der beiden Buddies aus Zuschauersicht schnell tot. Die ganze Zeit wartet man, dass in der temporeich erzählten Klamotte, die bis in die Nebenrollen hinein hervorragend besetzt ist (köstlich: Kabarettstar Josef Hader als zynischer Regisseur beim Casting), auch der Humor endlich Fahrt aufnimmt. Von Riahis Vergangenheit als Dokumentarfilmer ist wenig zu spüren. Anstelle von präzisen Beobachtungen, die in diesem Format durchaus Platz gehabt hätten, liefert er vor allem ebenso grelle wie glatte Bilder. Für einen ironischen Blick auf die Ignoranz der Massen ist das zu wenig. So bleibt am Ende zumindest das ehrenhafte Bemühen, den alltäglichen Rassismus in lockerer Form an den Pranger zu stellen. Und das Nachdenken darüber, inwiefern der eigene Blick auf migrantische Milieus deren Vielschichtigkeit entspricht.
 

Info: „Die Migrantigen“ (Österreich 2017), Regie: Arman T. Riahi, mit Faris Rahoma, Aleksandar Petrovic, Doris Schretzmayer, Josef Hader u.a., 88 Minuten. Jetzt im Kino

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