Kultur

Die Kirche und die Täter

von Die Redaktion · 14. September 2006

Der in den USA lehrende Björn Krondorfer hat die Autobiografien von evangelischen Theologen untersucht und fragt, wie darin die Zeit zwischen 1933 und 1945 erinnert wird. Das Fazit ist ernüchternd: Die Mehrzahl der Theologen hat bis in die 80er Jahre hinein an dem Mythos mitgestrickt, dass die Deutschen und damit auch sie selbst Opfer waren - erst der Nazis, dann der Bomben, dann der alliierten Besatzung. Von Schuld der Deutschen oder gar eigenem Versagen wollte kaum einer reden. Krondorfer verurteilt nicht leichtfertig; er versucht zu verstehen und analysiert die Autobiografien der Theologen auf dem Hintergrund ihrer jeweiligen Generationenerfahrung. Das ist ein fruchtbarer Ansatz, der verstehen hilft ohne zu entschuldigen.

Krondorfers Frau und Kollegin Katharina von Kellenbach hat ein anderes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte aus den Archiven ans Licht gebracht: Die Seelsorge der evangelischen Kirche an NS-Verbrechern. Darin zeigt sich, wie sehr die Gefängnispfarrer Verständnis dafür hatten, dass KZ-Aufseher und andere NS-Täter sich unschuldig fühlten. Öffentlicher Reue konnte und sollte den Tätern nicht nahe gebracht werden. Einen Grund dafür findet von Kellenbach in der traditionellen Form der christlichen Vergebungslehre, die die Vergebung durch Gott nicht an die Vergebung durch die Opfer bindet.

Dieses aufwühlende Buch stellt der deutschen Theologie nach 1945 kein gutes Zeugnis aus, aber es stellt die richtigen Fragen.



Christoph Fleischmann

Björn Krondorfer / Katharina von Kellenbach / Norbert Reck, Mit Blick auf die Täter. Fragen an die deutsche Theologie nach 1945, Gütersloher Verlagshaus 2006, 320 Seiten, 29,95 Euro, ISBN 3579052276

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