Es ist eine Geschichte der Weimarer Republik mit dem Hauptaugenmerk auf der Geldentwertung. 2013 hat der britische Historiker Frederick Taylor die Untersuchung „Inflation“ vorgelegt. Die benennt er als deutsches Trauma – mit nachhaltiger Wirkung.
Mit seinen eigenen Worten beschreibt Taylor es so: Das Buch handle „von Krieg, Politik, Gier, Wut, Furcht, Trotz, Verlangen und dem Schlüsselelement Hoffnung (so knapp es damals auch war) sowie davon, wie all diese Faktoren sich auf das Leben gewöhnlicher Menschen auswirkten“.
Indes wäre, so Taylor, der „Kern der Geschichte“ nur noch von akademischem Interesse, „wenn wir ihren Nachhall nicht noch heute deutlich zu spüren bekämen“, und zwar in Gestalt ultrarechter Unruhestifter „von Budapest bis Bayonne, von Wien bis Vilnius“. In einer Art machen sie sich bemerkbar, „die man so bösartig zuletzt in den dreißiger Jahren erlebt hat“.
Ermattungskrieg und Enteignung
Taylor, der Autor erfolgreicher Bücher über die Bombardierung Dresdens (dt. 2004), die Mauer (2009) und die Entnazifizierung (2011) besitzt die seltene Gabe, sehr anschaulich zu schreiben. Er berichtet von Betrug und Selbstbetrug ohnegleichen: Die Menschen wurden 1914 in einen Krieg gehetzt, der nur ein paar Wochen oder Monate dauern sollte. Für einen längeren Zeitraum war nicht vorgesorgt.
Doch schon am 31. Juli 1914 schloss die Reichsbank ihre Tore, um sie erst am 4. August wieder zu öffnen: Die Umtauschbarkeit des Papiergeldes in Gold wurde ausgesetzt, die Banknoten gerieten in eine Talfahrt, welche die Reichsbank immer wieder aufs Neue ermunterte, Geld zu drucken, dessen Wert rapider verfiel als das Tempo seiner Ausgabe.
Der Krieg hatte sich seinem zweiten Jahr in „einem blutigen Patt festgefahren“. Das Deutsche Reich ging letztlich als Verlierer hervor und die Friedensbedingungen wurden als „Versailler Diktat“ bezeichnet. Die galoppierende Inflation erreichte ihren Höhepunkt 1923, sie gipfelte in einer neuerlichen gigantischen Enteignung der Arbeiter und Beamten sowie des Mittelstandes.
Die fortwährende Angst der Deutschen
Und wie sieht es heute aus? Im Jahr 2010 sind die letzten Zahlungen aus dem Versailler Vertrag erledigt worden, der Kalte Krieg scheint beendet, aber die Angst der Deutschen vor einer radikalen Geldentwertung ist eher gestiegen. Taylors letzte Sätze lauten: „Offenbar ist das neunzig Jahre alte Trauma, trotz aller neuerlichen Prosperität des Landes, noch nicht ganz überwunden. Das Problem für die Welt könnte darin bestehen, dass die Deutschen den richtigen Instinkt beweisen.“ – Dass, so Taylor, sie nämlich ihre Ängste vor der Inflation doch nicht ohne Grund haben.
Frederick Taylor, Inflation. Der Untergang des Geldes in der Weimarer Republik und die Geburt eines deutschen Traumas. Siedler-Verlag, Hamburg 2013, 400 Seiten, 24,99 Euro, ISBN 978-3-8275-0011-3
Matthias Dohmen hat Germanistik, Geschichte, Politologie und Philosophie studiert, arbeitet als freier Journalist und ist 2015 mit einer Arbeit über die Rolle der Historiker West und Ost im "deutschen Geschichtskrieg" promoviert worden.