Kultur

Die „fünfte Gewalt“ domestizieren

von Matthias Dohmen · 26. Oktober 2012

Lobbyisten gibt es viele, einige agieren unverschämt wirkungsvoll. Die taz-Chefredakteurin Ines Pohl hat das Buch „Schluss mit Lobbyismus“ herausgegeben. Es widmet sich der „fünften Macht“. Neben der im Grundgesetz verankerten Gesetzgebung, Rechtsprechung und Exekutive und der vierten Macht der Medien gibt es den Lobbyismus. Der bringe vordemokratische Sitten zurück.

Das niederschmetterndste Beispiel für den Missbrauch von Marktmacht – oder ist es nur deren normaler Gebrauch? – sind die wachsenden Benzinpreise. Das halbe Dutzend multinationaler Ölgesellschaften ist es gewohnt, der Welt zu diktieren was der Sprit kostet. Sie nutzen ihr Monopol bedenkenlos aus und operieren lieber still und effektiv als laut und aufgeregt. Die Zentrale des Mineralölwirtschaftsverbandes, früher in Hamburg beheimatet, hat heute die Adresse Georgenstr. 25, 10117 Berlin.

Industrieverbände in Ministerien

Der Lobbyismus, dieses aus Pohls Sicht rückwärtsgerichtete Konglomerat der wild wuchernden Interessen- und Verbindungsbüros in der Bundeshauptstadt sei „ein Rückschritt in autokratische Systeme“. Es erinnere an Zeiten, in denen „Hofschranzen“ die Regierenden beraten. Wenn „Vertreter bestimmter Industrieverbände direkt in Ministerien angestellt sind oder Minister sich Gesetzesvorlagen von externen Industrieberatern schreiben lassen“, seien wir von solchen vordemokratischen Sitten und Unsitten „nicht mehr weit entfernt“.

Beispiele gibt es genug in der Berliner, vormals Bonner Republik. In dem Buch sind zahlreiche Zeitungsartikel gesammelt, die sich mit dem Banken- und Finanzsektor, mit Verkehr, Ökologie und Energie, mit der Pharmabranche und Drogen beschäftigen. Mit im Spiel ist die allgewaltigen Organisation Greenpeace, die sich „schon seit längerem vom hemdsärmeligen Umweltschutz verabschiedet und in das krawattentragende Lobbying eingestiegen“ sei, wie jüngst in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen war.

Illegitime Auswüchse des Lobbyismus

Die Autoren wollen „durchaus aufregen“, was nicht selten gelingt. Die Zustandsbeschreibung lässt wenig zu wünschen übrig, die Lösungsvorschläge sind nebulöser: Es soll, heißt es programmatisch in der Einleitung, Schluss sein mit den „illegitimen Auswüchsen des Lobbyismus“. Gibt es denn legitime? Und wie soll „Lobbyismus wirksam kontrolliert werden“?

Auf 20 Seiten beschäftigt sich Timo Lange von LobbyControl mit dieser Frage und kommt schließlich zu dem Schluss, es sei erforderlich, dass bei der Kampagne einer pressure group erkennbar sein müsse, „wer der Auftraggeber ist“. Erst dann könne ein „Abwägen der Argumente“ stattfinden.

Ist das so? Wenn der Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbandes im Fernsehen erklärt darf, warum der Dieselpreis in die Höhe schießt, werden sein Name und der Schriftzug seines Verbandes eingeblendet. Transparenter geht es nicht. Ob seine Argumente nachvollziehbar sind, hat allerdings weniger mit den faktischen Gegebenheiten als mit der Marktmacht von Konzernen zu tun. Es muss ja nicht immer gleich Esso oder BP sein. Bei den Hoteliers besorgt das Lobbying die FDP, und die kann der Wähler sogar abstrafen.

Ines Pohl (Hrsg.): „Schluss mit Lobbyismus. 50 einfache Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt“, Westend Verlag, Frankfurt a. M. 2012, 224 Seiten, 14,99 Euro, ISBN 978-3-86489-024-6

 

 

Autor*in
Matthias Dohmen

Matthias Dohmen hat Germanistik, Geschichte, Politologie und Philosophie studiert, arbeitet als freier Journalist und ist 2015 mit einer Arbeit über die Rolle der Historiker West und Ost im "deutschen Geschichtskrieg" promoviert worden.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare