Sie zeigt die andere Hälfte der 68er-Bewegung: Ruth E. Westerwelles Fotoausstellung „Die Frauen der APO – die weibliche Seite von 68“. Am 7. März, am Vorabend des Internationalen Frauentages, wird sie im Berliner Willy-Brandt-Haus eröffnet.
Es gibt eine Menge Heldengeschichten der 68er-Bewegung. Heldinnengeschichten gibt es keine. Obwohl beide Geschlechter auf die Straße gingen und für eine Veränderung der Gesellschaft kämpften. Auch auf den Pressefotos der Zeit sind die Frauen höchstens namenloses Beiwerk. „Zeigte ein Foto zum Beispiel Fitz Teufel inmitten von Aktivistinnen, stand lediglich darunter ‚Fritz Teufel nach seiner Haftentlassung’“, schreibt Westerwelle im Katalog zur Ausstellung, den sie selbst produziert hat.
Die namenlosen 68erinnen
Weil sie unendlich genervt war von dieser männlichen 68er Geschichte, hat Westerwelle vor inzwischen 25 Jahren begonnen, die Frauen der Bewegung zu fotografieren. „Es ging mir darum, die Frauen sichtbar zu machen“, sagt die Fotografin. So zeigt die Schau engagierte Frauen, die meist unbekannt blieben.
Eines der berühmten Fotos der Studentenrevolte zeigt den sterbenden Benno Ohnesorg. Eine junge Frau hält seinen blutenden Kopf in ihren Händen. Das Bild ist bekannt, die Frau nicht. Westerwelle hat nach langer Recherche herausgefunden wer sie ist: Friederike Hausmann, früher Dollinger. Sie war Mitglied im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), engagierte sich in marxistisch-leninistischen Gruppen und gegen den Vietnamkrieg.
Gelebtes Leben
Westerwelle hat zu jeder Porträtierten ein Foto aus der Zeit der Revolte ausfindig gemacht, hat es zu ihren Porträts der heute alten Frauen gestellt. Dazu erzählen Texte wer diese Frauen sind: Welchen biografischen Hintergrund sie haben, in welcher Form sie in den 68ern aktiv waren und was sie heute machen. Die meisten Bilder von Westerwelle entstanden vor zehn Jahren. Einige der Frauen sind inzwischen verstorben, die Ausstellung erinnert an sie.
Fragt man die Fotografin nach ihrem Lieblingsbild, nennt sie das Porträt von Renate Chotjewitz-Häfner. „Es zeigt eine alte Frau in ihrer Verletztheit, die das Leben nun mal mit sich bringt, und zugleich in ihrer Würde und Stärke“, sagt Westerwelle: „Dieses Porträt macht mir immer Gänsehaut“. Chotjewitz-Häfner, Jahrgang 1937, ist in der Frauenbewegung und in kulturellen Basisgruppen aktiv. 2008 ist sie gestorben. Im Ausstellungstext ist ein Zitat von ihr zu lesen: „Wie die privaten Verhältnisse aussahen, war das eine politische Geschichte. Der Mann war für die revolutionäre Theorie zuständig, die Frau für die Praxis.“
Selbstbestimmte Frauengeneration
Bei der Auswahl der Frauen für ihre Arbeit sei sie undogmatisch gewesen, sagt Westerwelle. „Mir geht es um die Vielfalt der 68er Zeit“, erklärt sie. Sie selbst war 1968 noch sehr jung. „68 war für mich die Geburtsstunde meines eigenständigen Lebens“, sagt sie. Aufgewachsen im Westdeutschland der miefigen 50er Jahre sei sie nach Berlin gezogen. Wenn sie von damals erzählt, scheint es als könne sie selbst nicht mehr glauben wie es war. „Durch die Nazi-Zeit waren wir von der Geschichte völlig abgeschnitten“, sagt sie. Von der Frauenbewegung in den 20ern habe man nichts gewusst, sagt Westerwelle.
Westerwelle sieht ihre Schau als spannende Ausstellung alter Frauen. „Noch nie hat es eine so selbstbestimmte Frauengeneration gegeben“, erklärt sie. Die Porträtierten hätten sich ihr Leben lang selbst entschieden, sich selbst finanziert und bis ins hohe Alter selbst bestimmt gelebt. Vor den 68erinnen sei das nur einzelnen Frauen gelungen, ihre Bilder zeigen erstmals eine ganze Generation von Frauen, die das erlebt habe.
Die Fotografin freut sich darüber, die Schau im Willy-Brandt-Haus zu zeigen, trotz des Spannungsverhältnisses zwischen SPD und APO. Das Willy-Brandt-Haus sei neben dem Martin-Gropius-Bau ihr Wunschort für die Schau gewesen. In der SPD-Zentrale habe sie zuerst angefragt. Am 7. März um 19.30 Uhr eröffnet die Schau.
„Die Frauen der APO – die weibliche Seite von 68“ ist vom 8. März bis zum 6. April 2014 im Berliner Willy-Brandt-Haus zu sehen. Zur Ausstellung gibt es einen vom „vorwärts“ unterstützten Audio-Guide
Goetz Schleser
ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.