Das Schlimme ist die Beliebigkeit, mit welcher der Autor quer durch die Republik seine Gespräche führt. Angeblich unternimmt er – so lautet der Untertitel – eine „Reise durch ein (un-)politisches Land“, doch in Wahrheit ist er es selbst, der einer Klärung politischer Vorgänge konsequent aus dem Weg geht.
Haben Lobbyisten, wie es in dem Buch heißt, tatsächlich „immer mehr Einfluss“? Mehr mithin als 2013 oder 1993 oder 1963? Oder reden wir nur mehr darüber? Sind die Fehlentscheidungen, die sie beeinflusst haben, gravierender als vor 30 oder 40 Jahren? Darüber erfährt man nichts.
Wahlplakate hängen einfach so
„Das Auffällige an Wahlplakaten ist heutzutage – nichts. Sie hängen einfach still dort, wo jemand sie platziert hat“. Ja Donnerwetter, da hat der Autor aber fein hingeschaut. Auch bei seiner indirekten Schlussfolgerung: „Erst wenn Wahlplakate wieder mit Parolen beschmiert werden, sind wir auf dem richtigen Weg.“
Schubert spricht mit CDU- und mit SPD-Abgeordneten, Leuten von der FDP oder der Partei Die Linke. Schön und gut. Aber dass er ausgerechnet eine Kandidatin der Alternative für Deutschland (AfD), der rechtspopulistischen Eurokritikerbewegung, zitiert, wenn es darum geht, „eine neue politische Kultur in unserem Land“ aufzubauen, stimmt schon sehr kritisch. Kathrin Rommel, so heißt die Frau, erklärt denn auch unwidersprochen: „Die Alternative für Deutschland ist ein Magnet für den politischen Austausch echter Demokraten, die Begeisterung trägt uns und lässt viele Menschen aus Idealismus ehrenamtlich mitarbeiten.“ Bei der AfD?
Raketen stoisch geduldet
Der Autor, Jahrgang 1967, war vom Alter her Schüler oder Student, als die größte Bürgerbewegung, die die Bundesrepublik je gesehen hat, nämlich die Friedensbewegung, die Politik auf die Straße trug. Für Schubert dagegen wurde die Stationierung der neuen Raketen von der „Masse der Bevölkerung stoisch geduldet“.
Ungewollt witzig werden die Ausführungen über die bundesdeutsche „Postdemokratie“ (auch so ein Begriff, der nichts besagt) beim Bericht über das Zusammentreffen mit dem jüngsten deutschen Bundestagsabgeordneten offensichtlich der letzten Legislaturperiode, einem FDP-Abgeordneten aus Braunschweig, der erklärt, er sei „hier auf Montage“, und er besitze „kein Dauerticket“ für Berlin. Er hat keine Ahnung, „wohin mich mein Weg noch führen wird“. Die Leserin und der Leser allerdings auch nicht.
Beliebig erscheinen auch die eingestreuten Fotos. Für die 12,90 Euro, die das Büchlein kostet, von dem es auch eine E-Book-Version auf dem Markt ist, bekommt man auch den Fischer-„Weltalmanach für Kinder“ oder ein Taschenbuch mit Kurzgeschichten der neuen Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro.
Torsten Schubert: "Republik der Sündenböcke. Eine Reise durch ein (un-)politisches Land", Driediger Verlag, Ibbenbüren 2013, 207 Seiten, 12,90 Euro, ISBN 978-3-932130-30-4
Matthias Dohmen hat Germanistik, Geschichte, Politologie und Philosophie studiert, arbeitet als freier Journalist und ist 2015 mit einer Arbeit über die Rolle der Historiker West und Ost im "deutschen Geschichtskrieg" promoviert worden.