Kultur

Die dunkle Seite des Sports

von Bernhard Witthaut · 20. November 2011

Im Sport geht es um Bestzeiten, Tore oder Punkte. Dass auch viel Geld im Spiel ist, gerät dabei oft in Vergessenheit. Wie der Sport zurücktritt und Korruption und organisierte Kriminalität Oberhand gewinnen, beschreibt der Journalist Jürgen Roth in seinem Buch „Unfair Play“.

Als ich das Buch von Jürgen Roth in die Hand bekam und die Überschrift las, erinnerte ich mich an seine Werke „Mafialand Deutschland“ und „Gangsterwirtschaft“, um nur seine bekannte Bücher zu erwähnen. Auch andere Titel, wie zum Beispiel „Die roten Bosse“, „Zeitbombe Armut“, „Die Türkei – Republik unter Wölfen“  verzichten auf ein Fragezeichen. Bewusst?
 
Aus der Sicht des Journalisten Jürgen Roth ist beinahe die halbe Welt eine kriminelle Vereinigung. Damit kann er Recht haben – bekommen hat er es aber nicht immer, wie Verleumdungsklagen gegen ihn, verlorene Prozesse um Schadensersatzforderungen und sogar geschwärzte Passagen in einigen Büchern zeigen.
 
Es ist allerdings auch kein Geheimnis, dass investigative Journalisten und Autoren von ihren Zielpersonen oder Institutionen, über die sie recherchieren gerne zuweilen auch „totgeklagt“ werden. Stimmt also, was Roth in „Unfair Play“ über Korruption im Sport schreibt oder nicht. Der Leser kann es auch nach der Lektüre von gut 300 Seiten nicht entscheiden. Dafür bekommt er Spannung pur.
 
Viel Bekanntes
 
In seiner Auseinandersetzung mit der Geldmaschine Sport beschreibt Roth viele bereits bekannt gewordene Skandale. Viel Neues erfährt der Leser dabei nicht. Denn so naiv, dass er glaubt, jeder Spieler, Vereinsfunktionär und Sportpolitiker lasse sich allein vom olympischen Ideal leiten, ist ohnehin kein Mensch mehr, als. Roths Empörung ist daher nicht immer nachvollziehbar.
 
Die Lebenserfahrung legt auch die Vermutung nahe, dass die bekannt gewordenen Manipulationen, Bestechungsvorgänge von Spielern und Schiedsrichtern, Ermittlungsverfahren, hohe Geld- und Gefängnisstrafen tatsächlich den gesamten sportlichen Sumpf abgebildet haben. Roth nimmt aber nicht nur die Machenschaften der vermeintlich Großen und die Millionenbeträge in den Blick, sondern weist auch darauf hin, dass selbst bei kleinsten Meisterschaften das Geschacher um Profit und Prestige nicht unbekannt ist.
 
Wetten im Sport gehören schon seit Jahrtausenden dazu. Bereits in der Antike wetteten die Menschen auf die Wagenlenker, die in den Arenen in die Runde rasten. Auch heute kann man auf alles und jeden wetten. Und das beinahe rund um die Uhr . Jürgen Roth schildert, welchen Einfluss dies auf den Sport hat, wie sich Sportler offensichtlich verkaufen, wie sich Politiker in Europa, auf dem Balkan, in Russland und in vielen Ländern einmischen und wie  schmutzige Geschäfte funktionieren.
 
Das Personal reicht nicht aus
 
Der kometenhafte Aufstieg einiger Oligarchen in der Ukraine, die Verbindungen zur organisierten Kriminalität in Ländern wie Bulgarien, Rumänien, Albanien, Montenegro und Mazedonien haben, lassen bei mir als Polizisten die Augenbrauen hochschnellen. Roth beschreibt aber auch Vorgänge in Frankreich und Deutschland, die eigentlich strafrechtlich relevant sein könnten, die aber wegen der Nähe der handelnden Personen zu politisch oder sportpolitisch Verantwortlichen offensichtlich unter den Tisch gekehrt werden.
 
Aus der Sicht eines Polizeibeamten reichen viele dieser Schilderungen als Anfangsverdachtsgründe, um Ermittlungen aufzunehmen. Allerdings benötigte man ein Heer von Polizisten, um den Tatsachen auf den Grund zu gehen. Die haben wir in Deutschland nicht und es stellt sich zwangsläufig die Frage, ob es ein Zufall ist, dass wir diese Menpower bei der Polizei nicht haben. Wenn tatsächlich so viele so viel an den schmutzigen Geschäften verdienen und es oft dieselben Personen sind, die sogar über die Personalausstattung der Polizei entscheiden kann man schon ins Grübeln kommen. 
 
„Jede Mannschaft ist eine Bande und jeder Fußballer ist eine Hure“, weiß Franciszek Smuda, der seit Oktober 2009 Trainer der polnischen Fußball-Nationalmannschaft ist. Wenn jemand einen solchen dramatischen Satz ausspricht, der selber eine exponierte Position innerhalb des Fußballs einnimmt, dann wirft das einen Schatten auf die Szene. Und irgendwie wünscht man sich dann, dass Jürgen Roth nicht Recht hat. 
 
Jürgen Roth: Unfair Play. Wie korrupte Manager, skrupellose Funktionäre und Zocker den Sport beherrschen, Eichborn Verlag 2011, ISBN 978-3821865089, 19,95 Euro

Autor*in
Bernhard Witthaut

ist Polizeihauptkommissar und Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei.

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