Kultur

Die deutsche Frage. Warum die Einheit unser Land gefährdet

von Die Redaktion · 18. Oktober 2005

"Die Schwäche der neuen Länder ist kein Sonderthema für Ossis, es ist ein Problem aller Deutschen.", schreibt Bisky zu Beginn. Diesem Motto bleibt er bis zur letzten Seite treu. Doch er sucht nicht das Gemeinsame. Bisky dokumentiert den Unterschied. Er attestiert 15 Jahre "Parallelgesellschaft".

Was also ist das Neue? Er formuliert ein umfassendes Schwarzbuch vom mental weiterhin geteilten Land. Wie tief er sich dabei in kulturelle Schichten vorarbeitet, ist interessant zu lesen. Aber es ist auf keinen Fall die Antwort auf die deutsche Frage.

Die Stelle, an der Bisky falsch abbiegt, scheint schon im Untertitel auf. Bisky sucht die Antwort auf eine große Frage. Dabei macht er den gleichen Fehler, den er dem bisherigen Aufbauprozess vorwirft:

Er bleibt im märkischen Sand stecken. Kaum ein Wort zur europäischen Dimension der deutschen Einheit.

Kein Blick in die Geschichte. Die deutsche Frage beginnt mit Helmut Kohl und endet bei der "Super Illu", einem der wenigen ostdeutschen Medienprodukte, das einen eigenen Markt bedient.

Das ist schade! Die Zeit wäre reif, den Blick auf die deutsche Frage wieder etwas weiter zu öffnen. Wo stehen wir 15 Jahre nach dem Kalten Krieg? Wie sehr sind wir in Europa angekommen?

Denn das Trennende, die Mentalitätsunterschiede und die Ängste, die Bisky als die deutsche Frage beschreibt, sind gar nicht so typisch deutsch. Auch in Belgien oder Italien gibt es kulturelle und ökonomische Gefälle - ja mittlerweile hat das trotzige Beharren auf dem Eigenständigen den ganzen Europaprozess erfasst.

Die Auseinandersetzung um die Verfassung hat es uns gezeigt.

Bisky hält der Vereinigungspolitik den Spiegel vor. Er verzichtet darauf, die viel zitierten Millionengräber in den Vordergrund zu stellen und kennt sogar Positivbeispiele, sucht nach eigenen Lösungen.

Das ist gut. Er verzichtet aber auch darauf, den eigentlichen Rahmen der deutschen Frage in den Blick zu nehmen.

Von Christoph Matschie, Landes-Chef der SPD in Thüringen

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