Ein dringend notwendiges Manifest zur Erinnerung an die einzigartige Tradition und an die Chance für die Zukunft Europas – nichts weniger ist Oskar Negts jüngstes Buch.
Kein anderer Kontinent besitzt so viele verschiedene Ressourcen für einen produktiven Einigungsprozess, der allerdings unter Druck steht: Reiche und Arme driften auseinander, soziale und kulturelle Bindungen gehen verloren, ganze Gesellschaftsteile werden aus der Solidargemeinschaft abgekoppelt. Die europäische Einigung wird laut Oskar Negt ohne einen Lastenausgleich und ohne soziale Investitionen kaum zustande kommen.
Für den Sozialwissenschaftler Negt bildet das Erlernen von sozialer Verantwortung die Basis jeder demokratischen Gesellschaft. Er betont, dass Europa nicht auf ökonomische Fehlentwicklungen reduziert werden dürfe. Seine Streitschrift erinnert an ein gemeinsames, großes Projekt, das in der öffentlichen Wahrnehmung auf Schuldenkrisen im Mittelmeer reduziert wird. Ein realutopischer Gegenentwurf zur aktuellen Debatte.
Oskar Negt: Gesellschaftsentwurf Europa, Steidl Verlag, 120 Seiten, 14 Euro, ISBN 978-3-86930-494-6