Kultur

Deutscher Buchpreis geht an Bodo Kirchhoff

Der Gewinner des Deutschen Buchpreises 2016 heißt Bodo Kirchhoff. Die Buchpreis-Jury lobte seine Novelle „Widerfahrnis“ als „sprachlich virtuoses, menschlich berührendes und dabei unprätentiöses Prosawerk.“
von · 18. Oktober 2016
Der Deutsche Buchpreis 2016 ging an Bodo Kirchhoff und seine Novelle „Widerfahrnis“
Der Deutsche Buchpreis 2016 ging an Bodo Kirchhoff und seine Novelle „Widerfahrnis“

Am Ende siegte ein Roman, der die Eigenbezeichnung „Novelle“ trägt: Bodo Kirchhoff hat für „Widerfahrnis“ den Deutschen Buchpreis 2016 erhalten. Er setze sich damit gegen die anderen Shortlist-Kandidaten Reinhard-Kaiser-Mühlecker („Fremde Seele, dunkler Wald“), André Kubiczek („Skizze eines Sommers“), Thomas Melle („Die Welt im Rücken“), Eva Schmidt („Ein langes Jahr“) und Philipp Winkler („Hool“) durch.

Das schicksalhafte Erfahren als Thema

In „Widerfahrnis“ erzählt Kirchhoff von zwei älteren Menschen, Mann und Frau, die, durch eine Zufallsbekanntschaft zusammengeführt, gemeinsam durch Italien nach Sizilien reisen. Beide haben ihre Berufe – Kleinverleger und Hutverkäuferin – schon vor einiger Zeit aufgegeben. Im Prinzip haben beide sich in ihrem jeweiligen Rentner-Leben gut eingerichtet. Aber dann brechen sie doch gemeinsam auf, lassen sich neu auf jemanden, auf sich selbst, ein. Entdecken, erleben – auch die Liebe, die sich auf der spontanen Reise irgendwann dazuschleicht. Doch schon drängt die Wirklichkeit in dieses romantische Refugium hinein, in Form eines unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingsmädchens.

Widerfahren, das bedeutet laut Duden „wie etwa Schicksalhaftes (jemandem) zuteilwerden, von jemandem erlebt, erfahren werden“. Es geht Bodo Kirchhoff also nicht nur um das bloße „passieren“ oder „erleben“ von Dingen – sondern um schicksalhaftes Erfahren. Dem Buch selbst merkt man diese Bedeutungsschwere nicht an: Es ist flott geschrieben und stilistisch schlicht, aber elegant. Die Buchpreis-Jury lobte „Widerfahrnis“ als „sprachlich virtuoses, menschlich berührendes und dabei unprätentiöses Prosawerk.“

Sechs Titel für die Shortlist

Kirchhoff, 1948 in Hamburg geboren, lebt seit über 40 Jahren in Frankfurt; in seinem Haus am Gardasee gibt er Schreibkurse. Bei der ersten Verleihung des Deutschen Buchpreises 2005 war er Mitglied der Jury, 2012 schaffte er es mit „Die Liebe in groben Zügen“ auf die Buchpreis-Longlist.

Das Genre der für die Shortlist nominierten Bücher hatte im Vorfeld der Verleihung für viele Diskussionen gesorgt: Der Deutsche Buchpreis zeichnet Romane aus – drei der nominierten Werke, darunter „Widerfahrnis“, waren im strengsten Sinne aber keine. Bei der Verleihung des Buchpreises am gestrigen Montag in Frankfurt sagte Jurysprecher Christoph Schröder nun, man habe sich auf Marcel Reich-Ranickis Definition bezogen: Für ihn, so Reich-Ranicki, sei jedes erzählerische Werk über 200 Seiten ein Roman. Es bleibt abzuwarten, inwiefern dieser erweiterte Genre-Begriff den Kreis der für den Buchpreis in Frage kommenden Bücher zukünftig erweitern wird.

Der Deutsche Buchpreis wird seit 2005 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels vergeben. Er zeichnet den besten deutschsprachigen Roman des Jahres aus. Verlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz dürfen Titel einreichen. Die siebenköpfige, jährlich wechselnde Jury, stellt zunächst eine aus 20 Titeln bestehende Longlist zusammen. Daraus werden sechs Titel für die Shortlist ausgewählt. Der Sieger wird traditionell am Vorabend der Frankfurter Buchmesse verkündet, er erhält 25.000 Euro. 2015 gewann Frank Witzel mit „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“.

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