Kultur

Deutsche gegen Deutsche

von Die Redaktion · 28. Juli 2008

Nach ihrer geglückten Flucht waren die Menschen längst nicht angekommen in Deutschland. Im Gegenteil, sie wurden von ihren Landsleuten als Fremde ausgegrenzt. Kossert sprach von einer "traumatischen Ankunftserfahrung" und von einem "Rassismus von Deutschen gegen Deutsche". Für viele stellten die Flüchtlinge eine Erinnerung an den verlorenen Krieg dar, unterstrich der Historiker. Auch die nationalsozialistischen Stereotype von den "Untermenschen aus dem Osten" wirkten noch lange nach.



Keine Solidargemeinschaft


Trotzdem sei die "gelungene Integration" bald ein stehender Begriff gewesen - bisweilen fast ein Befehl. "Für die Deutschen aus dem Osten schien es nur zwei Alternativen zu geben: Entweder sie waren reuig und akzeptierten die Vertreibung als Strafe für die Verbrechen des Hitler-Regimes, oder sie waren Ewiggestrige, die das Leiden der Nachkriegszeit vor sich hertrugen, um über die Schuld der Kriegszeit nicht reden zu müssen. Schuld waren sie auf jeden Fall", heißt es im Buch.

Hier verberge sich, so Safranski, ein "politisch heißer Kern": aus der deutschen Verantwortungsgemeinschaft für begangene Kriegsverbrechen sei nie eine Solidargemeinschaft geworden. Dabei hätten die Vertriebenen den höchsten Preis für die deutsche Schuld gezahlt. Es müsse festgehalten werden, dass die Vertreibung ein Verbrechen war, betonte Safranski: "Ein Verbrechen hört nicht auf eines zu sein, weil es die Reaktion auf ein größeres Verbrechen war."

Wirtschaftswunder

Das deutsche Wirtschaftswunder der 50er Jahre wäre ohne die Flüchtlinge aus dem Osten nicht möglich gewesen, war Kossert sicher. Sie seien ein treibender Motor gewesen, und hätten darüber hinaus Bewegung in die verkrusteten Strukturen des ländlichen Raumes gebracht.

"Kalte Heimat" ist ein bemerkenswertes Buch, das die Ankunftsgeschichte der Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten neu schreibt. Noch vor zehn oder fünfzehn Jahren wäre das nicht möglich gewesen, so Kossert, der als einer der profiliertesten Osteuropahistorikern Deutschlands gilt. Es sei "das Recht eines jugendlicheren Alters dieses Buch zu schreiben", betonte der 1970 Geborene. Safranski unterstrich, dass es dem Autor gelungen sei "eindringlich über das Thema zu schreiben, ohne aufgeregt zu sein".

Birgit Güll

Andreas Kossert: "Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945", Siedler Verlag, München, 2008, 430 Seiten, 24,95 Euro, ISBN-978-3-88680-861-8

0 Kommentare
Noch keine Kommentare