Grünen-Bundesvorsitzender Cem Özdemir, der die Laudatio auf Claudia Dantschke sprach, erzählte, seine Mitarbeiter hätten einen eigenen Ordner für ihre Artikel angelegt. An ihr komme niemand
vorbei, der sich mit dem Thema Islamismus beschäftigen wolle. Die geborene Leipzigerin sei durch ihr Leben in der DDR für die Gefahren, die von Ideologien ausgehen, sensibilisiert worden. Ihr
Arabistik-Studium sei auch ein Versuch gewesen, sich in der Enge des Systems zu entziehen und eine eigene Nische zu finden. Ihre Recherchen seien detailversessen und gründlich. Nie ziehe sie
voreilige Schlüsse, immer versuche sie, auch ihren Gegnern gegenüber fair zu bleiben. Keinen der Prozesse, die gegen sie angestrengt wurden, habe sie verloren. Umgekehrt hätten ihre Recherchen
dazu geführt, dass es einige radikale Organisationen und Medien nicht mehr gebe.
Das Motto des TV-Senders AYPA, den sie gemeinsam mit Ali Yıldirim bis 2007 betrieben habe, habe gelautet: "Was nicht transparent ist, muss transparent gemacht werden." Es habe kaum eine
türkische Veranstaltung in Berlin gegeben, die vom Journalistenduo nicht dokumentiert worden sei. Das Archiv dieser Aufzeichnungen müsse dringend digitalisiert werden, um es für mehr Menschen, ob
Schüler oder Journalisten, verfügbar zu machen.
Mischung aus Institution und Geheimtipp
Roland Otte, Vorsitzender des Landesverbandes Berlin der Humanistischen Union, zitierte in seiner Ansprache, die Namensgeberin des Preises, die Berliner Schriftstellerin Ingeborg Drewitz.
Die habe in ihrem Roman "Gestern war heute" geschrieben: "So lange ich lebe, habe ich nicht nur geatmet, sondern diese Art Kraft, die ich durch das Atmen aufnehme, auch nach außen zu geben." Die
aktuelle Preisträgerin, so Otte, scheine kaum Luft zu holen, im wörtlichen, wie im übertragenen Sinne. Sie sei eine Mischung aus Institution und Geheimtipp und der Preis solle dazu beitragen,
ihr die Bekanntheit und die Anerkennung zu verschaffen, die sie verdient habe.
"Ali, der Preis gehört dir"
Dantschke bedankte sich in erster Linie bei ihrem Kollegen Ali Yıldirim: "Der Preis gehört dir" - rief sie ihm zu. Es sei das größte Glück in ihrem Leben gewesen, ihm zu begegnen, denn von
ihm habe sie viel gelernt. Der erste Artikel, den beide in der "taz" veröffentlicht hatten, habe "Wir brauchen mehr als nur einen Cem" geheißen, sagte die Preisträgerin mit Blick auf ihren
Laudator. Die Auszeichnung verstehe sie als Motivation, mit ihrer Arbeit weiter zu machen. Es dauere zwar sehr lange, aber die Gesellschaft beginne, sich zu ändern. Längst gebe es mehr als nur
einen Cem.
0
Kommentare
Noch keine Kommentare