Kultur

An der Seite von Bob Dylan

von Dagmar Günther · 27. April 2010
placeholder

Mehr als drei Jahre lang war sie die Frau an der Seite von Bob Dylan. Sie war die Muse solcher Songs wie "Boots of Spanish Leather" oder "Don't Think Twice It's All Right". Und sie ist das Mädchen auf dem Cover seines Albums "Freeheelin' Bob Dylan".


Susan "Suze" Elisabeth Rotolo, geboren 1943 wuchs als Tochter italienischer Kommunisten im New Yorker Stadtteil Queens auf. Schon früh beschäftigte sie sich mit der großen Politik und den schönen Künsten. Als Teenager besuchte sie die legendären Clubs in Greenwich Village, in denen sich die Folkszene mit Künstlern wie Fred Neil, Phil Ochs, Tom Paxton oder Odetta Holmes zu etablieren begann. Hier lernte die 17-Jährige auch den damals 20-jährigen Robert Allen Zimmerman kennen, der später unter dem Künstlernamen Bob Dylan weltberühmt wurde. Sie nahm Einfluss auf seine frühen Werke, führte ihn an die bildende Kunst, das Theater und ihre Dichter, die französischen Symbolisten Arthur Rimbaud, Paul Verlaine und Charles Baudelaire, heran.

Die große Liebe
Sie fühlten sich frei in Greenwich Village, wo die Mieten preiswert waren und sich Künstler wie Dave van Ronk oder Jack Elliott um die jungen Musiker kümmerten. Bob und Suze waren Teil der Gemeinschaft der "politischen Rebellen". Bob machte Musik in den Szeneclubs wie dem Gerde's, Gaslight, Village Gate oder Bitter End. Suze jobbte in Cafés, malte und bauten Bühnenbilder, organisierte Demonstrationen gegen Rassentrennung und flog mit anderen Jugendlichen nach Kuba, um gegen das Reiseverbot für amerikanische Bürger dorthin zu protestieren.


Suze liebte Bob von ganzem Herzen. Doch alles, "was der Freundin eines Musikers in den frühen Sechzigerjahren angeboten wurde, war die Rolle als seine 'Puppe', als eine Saite auf seiner Gitarre..." Sie aber wollte ein eigenes Leben, beneidete die Männer um ihre Freiheit. "Es war deprimierend, es überstieg offenbar jede Vorstellungskraft, dass auch Frauen wild, frei und verrückt sein konnten." Sie war "zutiefst davon überzeugt", dass sie "keine Saite auf seiner Gitarre sein konnte". Sie konnte nicht "in seinem Schatten leben und ich war nicht dafür geschaffen, ihn zu betreuen."


Der Preis des Erfolgs
Es gab Gerede in Greenwich Village über ihre Beziehung. Suze fühlte sich zwischen den guten und schlechten Ratschlägen der Leute hin und her gerissen. Sie zog aus der gemeinsamen Wohnung aus, kam bei ihrer Schwester Clara unter. Die allerdings meinte, Bob wäre nicht der Richtige für ihre Schwester. Und Bob wiederum verurteilte Clara.


Der Erfolg indes verwandelte den jungen Musiker, der vom legendären Impresario John Hammond für das Major-Label Columbia unter Vertrag genommen worden war. Bob wurde mehr und mehr zum "Egozentriker. ... Die Persönlichkeit verändert sich, sobald sie allen ein Begriff wird. Sie entwickeln eine unkontrollierbare Egomanie. ... Dies kann auch bescheidensten und demütigen Personen passieren ..., es macht Klick und plötzlich kann diese Person nichts mehr wahrnehmen außer sich selbst. ... Jeden Tag wird es schlimmer", beschrieb Suze die Situation einmal. So blieb ihnen schließlich nur, getrennte Wege zu gehen.


Der Schmerz der Trennung

Nach der Trennung ging Suze Rotolo einige Jahre nach Europa. Heute lebt sie als Künstlerin wieder in Greenwich Village. Sie ist verheiratet und hat einen Sohn. Sie brauchte viele Jahre, um damit klar zu kommen "ein Parallelleben zu besitzen". Sie beschreibt es so: "Es ist ein merkwürdiges Gefühl, wenn ich mich selbst auf der Leinwand sehe, mich in einem Buchtext wiederfinde, für immer neben der Legende Dylan eingeschlossen und begraben."


Schließlich konnte sie es zulassen, dass ihre "parallelen Leben konvergieren." Aber es werde immer "eine Kluft geben zwischen dem Bild und der Wirklichkeit, denn dort leben Geister und die können nicht unter Glas in Schach gehalten werden." Nach und nach habe sie gelernt, mit der großen Faszination klar zu kommen, die Bob Dylan auf Menschen ausübt. Und es sei ihr klar geworden, dass das Leben nur für die weitergehe, die in der Gegenwart leben. "Nostalgie, ob billig oder nicht, kommt einen Menschen immer teuer zu stehen", stellt sie im Vorwort zu ihrem Buch fest.


Das Bekenntnis einer starken Frau
Und so dokumentiert Suze Rotolo das Leben in den 60ern in GreenwichVillage auf ihre Weise. Sehr leise, sehr einfühlsam, sehr ehrlich. "Meine Erinnerungen an diese Zeit mögen nicht in allen Details den Fakten entsprechen, treffen im Großen und Ganzen aber die Wahrheit." "Sex, drugs and rock 'n' roll" war der Slogan jener Jahre. Er beschreibe die Zeit, aber "in Wirklichkeit ging es nicht um so etwas Oberflächliches." "Wir glaubten ehrlich die Welt verändern zu können und wir haben sie verändert, zum Besseren." Suze Rotolo nennt die Bürgerrechtsbewegung und die Antikriegsbewegung, die zu neuen Gesetzen führten. So sei 1971 das Wahlalter von 21 auf 18 Jahren gesenkt, 1973 die Wehrpflicht abgeschafft und das gesetzliche Mindestalter für den Alkoholkonsum auf 21 Jahre hinaufgesetzt worden.


Voller Wehmut denkt sie an die 60er zurück, als noch das Gemeinwohl im Mittelpunkt stand und nicht die Frage "Was habe ich denn davon?" John F. Kennedy forderte in seiner seinem Antrittsrede im Januar 1961: "Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann, sondern was Du für Dein Land tun kannst." Suze Rotolo betrachtet die 60er als "eine Ära der Wissenssuche und Neugier und der Aufsässigkeit gegen die erstickende und repressive politische und gesellschaftliche Kultur des vorangegangenen Jahrzehnts". Die neue Generation, die den ganzen Wirbel verursachte, sei nicht von gesellschaftlichen Interessen geleitet worden: "Wir wollten nichts verkaufen, wir hatten etwas zu sagen!"


Suze Rotolos Buch ist eine Offenbarung. Es ist eine Ode an die Liebe, das Bekenntnis einer starken Frau zu ihrem selbstbestimmten Leben. Und es ist die authentische Erinnerung an eine wilde Zeit, in der sich Kunst und Politik zu durchmischen begannen.


Suze Rotolo: "Als sich die Zeiten zu ändern begannen. Erinnerungen an Geenwich Villag in den Sechzigern" Parthas Verlag, Berlin 2010, 375 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-86964-010-1

Autor*in
Dagmar Günther

war bis Juni 2022 Chefin vom Dienst des vorwärts.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare