Kultur

Der schmale Grat zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit

von Die Redaktion · 28. März 2008
placeholder

Bei einem Symposium im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) waren Teilnehmer unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen dem Thema Gerechtigkeit auf der Spur. Auf dem Podium saßen Petra Dobner, Stefan Gosepath und Wolfgang Merkel. Moderiert wurde das Gespräch von Stephan Leibfried.

Gleichbehandlung

"Fast alle Parteien reden über Gerechtigkeit. Wir haben trotzdem keine", stellte der Professor für politische Theorie und Philosophie, Stefan Gosepath, Universität Bremen, fest. Gerecht sei aus seiner Sicht eine Handlung, die dem Menschen das zukommen ließe, was ihm zustünde. Die Gleichheit sei eine Grundidee der Gerechtigkeit. Vor dem Gesetzt seien alle Menschen gleich. Niemand dürfe wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat oder Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Das gelte auch für Behinderte. "Dies ist der Grundsatz der formalen Gleichheit. Gleiche Fälle müssen gleich behandelt werden", konstatierte der Professor.

Dieser Grundsatz greift aber nicht immer. "Ein Kranker hat andere Ansprüche als ein Gesunder", gab Stefan Gosepath zu bedenken. Es existiere eine moralische Notwendigkeit eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. "Besondere Bedürfnisse erfordern eben eine Umverteilung der Gelder", stellte der Professor fest. "Und Umverteilung bedarf politischer Macht", ergänzte Petra Dobner, Privatdozentin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Halle-Wittenberg. Viele Menschen fühlten sich benachteiligt, ungerecht behandelt und seien von der Politik enttäuscht. Das Gefühl der Ungerechtigkeit sei in der Bevölkerung groß, so die Politikwissenschaftlerin.

Chancengleichheit

"Die Armut in Deutschland ist im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich", sagte Wolfgang Merkel, Direktor der Abteilung "Demokratie: Strukturen, Leistungsprofil und Herausforderungen" am WBZ.. Trotzdem habe sie in den letzten Jahren massiv zugenommen. Die hohen Sozialausgaben stünden diametral der niedrigen öffentlichen Beschäftigung gegenüber. Wegen der sinkenden Geburtenraten werde das Sozialversicherungssystem langsam brüchig. Die Lösung für die Missstände könnte bedingungsloses Grundeinkommen lauten. Jeder Bürger bekäme den gleichen Betrag ausgezahlt. Staatliche Leistungen wie Arbeitslosengeld, Rente oder Kindergeld würden wegfallen. "Das würde aber nichts an der Chancenstruktur innerhalb der Gesellschaft ändern", bemängelte Wolfgang Merkel.

Ähnlich sieht das auch Stefan Gosepath. Chancengleichheit ist für ihn Gerechtigkeit. Zwillinge hätten aufgrund ihrer genetischen und sozialen Gleichheit die gleiche Ausgangsposition. "Wenn der eine Zwilling mehr arbeitet und der andere Zwilling seinem Hobby nachgeht, so ist es gerecht, dass der eine mehr Geld zur Verfügung hat", erklärte Stefan Gosepath. Jeder Mensch besäße die Möglichkeit sein Leben frei zu gestalten. Wichtig sei, dass alle Individuen mit den gleichen Chancen ins Leben starteten. Der Politikprofessor sieht Gerechtigkeit nicht im Ergebnis, sondern in der Ausgangslage. "Gerecht ist, was wir als gerecht empfinden."

0 Kommentare
Noch keine Kommentare