Kulturpolitik konkret: Oliver Scheytt, in Peer Steinbrücks Kompetenzteam für Kunst und Kultur zuständig, machte beim Empfang des Berliner Kulturforums am Montagabend deutlich, wie er für die Interessen der Kreativen kämpfen will.
Der Regierende Bürgermeister konnte dann doch nicht kommen, denn die Kultursitzung des Abgeordnetenhauses dauerte an. Doch als im Saal der Beschluss des Berliner Kulturausschusses verkündet wurde, jährlich 3,7 Millionen Euro mehr für die freie Szene, sowie Musik- und Tanztheater auszugeben, hatte Klaus Wowereit wahrlich zum Gelingen des Abends beigetragen.
Kulturpolitische Agenda statt Geldverteilen ohne Konzept
Ansonsten war es Oliver Scheytts Abend. Der im Kompetenzteam von Peer Steinbrück für Kunst und Kultur zuständige Scheytt entfaltete kämpferisch seine kulturpolitische Agenda. Jeder einzelne Gast des Kulturempfangs merkte, es würde frischen Wind in die Bundeskulturpolitik bringen, könnte Scheytt nach acht Jahren den immer noch amtierenden Bernd Neumann ablösen.
Vieles ist liegengeblieben unter Neumanns Führung, manche Weiche wurde falsch gestellt. Das Staatsziel Kultur: abgelehnt. Die Künstlersozialkasse: ohne Reform geht es nicht weiter. Das gewachsene System der Kulturförderung: durch das EU-USA-Freihandelsabkommen existenziell gefährdet. Urheberrechtsreform in der digitalen Welt: verschlafen, nichts passiert. Was es gab war bloßes Geldverteilen ohne Konzept, ohne Koordination mit Ländern und Kommunen.
Von Künstlern, Kulturmanagern und Kulturpolitikern
Fragen, Meinungen und Proteststimmen des Publikums waren laut und vielfältig. Es waren ja auch über 300 Künstler, Kulturvermittler und Kulturbürger gekommen – darunter von den Berliner Festspielen über das Radialsystem bis zum Gorki Theater Vertreter wichtiger Institutionen der Stadt, alle ja wesentlich projektfinanziert. Die Zungen saßen vielleicht auch dadurch etwas lockerer, weil von Beginn an Wein ausgeschenkt wurde. Oliver Scheytt hat sich wahrlich warmgelaufen in seinen unermüdlichen Wahlkampfdebatten überall im Lande. Selbstsicher und kenntnisreich ähnelte sein Auftritt den Arenadiskussionen von Steinbrück.
Besonders der Zusammenschluss der Freien Szene brachte Dampf in die Debatte. „Darum geht es: als Lobby für Kunst und Kultur Druck zu machen“, so nahm Scheytt den Faden auf. Mindesthonorare, bessere Förderstrukturen, längere Förderdauer, Maßnahmen gegen prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen, billiger Atelierraum für Künstler, Europa als Kulturaufgabe. Oliver Scheytt konnte da bestens anknüpfen, hat der Kulturmanager doch eigene kulturpolitische Erfahrungen im dem noch erheblich ärmeren Ruhrgebiet gemacht und kann jetzt auf entsprechende Passagen und Reformansätze des SPD-Programms hinweisen.
Wenn es um die Kultur geht, muss die SPD sich kaum Sorgen machen. Glücklich die Partei, der Ihre eigenen Programmaussagen als Transparente entgegengehalten werden: „Die Förderung von Kunst muss bei den Künstlern selbst ankommen, um ihre Lebensgrundlagen zu sichern“ Oder: „Mindesthonorare und verpflichtende Vergütungen sollen zur Regel werden“. Jetzt ist die Umsetzung auch im Bund gefragt. Scheytt zeigte, dass er bereit dazu ist.