Aus der DDR stammend hat Friedrich Schorlemmer nie die Grundüberzeugung verloren, dass Gerechtigkeit und Freiheit einander bedingen. Am Dienstag stellte der SPD – Politiker und Bürgerrechtler seine politische Autobiografie vor. Darin erzählt er von Widerständen und Angst, aber auch von Mut und Hoffnung.
„Klar sehen und doch hoffen“ heißt Schorlemmers Buch und vermittelt so gleich im Titel seine Kernbotschaft: Auch wenn die Situation ausweglos erscheint, darf man die Hoffnung auf Besserung nicht aufgeben. Das gilt sowohl für das Leben in einem autoritären Staat, wie es Schorlemmer erlebt hat, als auch für das politische Engagement in der Demokratie.
Der Autor las bei einer Buchvorstellung in der Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin Auszüge aus seiner Autobiografie. Im Anschluss sprach er mit dem Publizisten Friedrich Dieckmann über ihre Entstehung und die damit verbundenen Schwierigkeiten.
Schutzraum in der Diktatur
Schorlemmer hat seine politischen Erinnerungen unchronologisch in essayistischer Form verfasst. So erfährt man im ersten Kapitel vom Schrecken über den Einmarsch der Russen in Prag 1968, von dem Schorlemmer bei seinen Eltern im altmärkischen Werben erfuhr. Erst im weiteren Verlauf des Buches wird von der Isolation berichtet, unter der er als Sohn eines Pfarrers in der DDR litt; von der Ablehnung durch Mitschüler und Lehrer, aber auch von lebenslangen Freundschaften, die in dieser Zeit entstanden sind. In einem offenen und herzlichen Elternhaus reifte auch der Entschluss, selbst Theologie zu studieren.
Für den Autor ist ein Blick auf die positiven Seiten des Lebens in der DDR wichtig. Dabei geht es Schorlemmer nicht um eine Verharmlosung des SED – Regimes, sondern um die kleinen Freuden des Alltags. Er erzählt von offenen Menschen in einem totalitären Staat, von der heilenden Wirkung der Literatur, aber auch vom schützenden Raum der Kirche. Eindrucksvoll demonstriert Schorlemmer, wie man sich trotz starrer Dogmen und enger Grenzen eine positive, weltoffene Einstellung erhalten kann.
Auf die Frage, wie man als Vorkämpfer für Bürgerrechte in der DDR die ständige Angst vor dem Überwachungsstaat erträgt, antwortete er: „Ich hatte immer ein bisschen mehr Mut als Angst. Vielleicht könnte man sagen: Ich hatte Mut zur Angst.“
Der Wert sozialer Gerechtigkeit
Gegen die Bezeichnung „ehemaliger“ Bürgerrechtler wehrt sich Schorlemmer vehement. „Ich bin es noch und werde es immer sein“, betonte er. Heute sei der Kampf für essentielle Rechte wieder ebenso wichtig wie vor fünfundzwanzig Jahren. In der ökonomisierten modernen Gesellschaft trete die soziale Gleichheit vollständig in den Hintergrund, erklärte Schorlemmer und fügte hinzu: „Die Freiheitsrechte sind ohne sozialen Ausgleich nur ein Torso.“
Gleichzeitig warnte er vor rechter Gewalt. Dieser müsse man entschieden und mit immer neuer Kraft entgegentreten. Politisches Engagement ist für den Autor Bürgerpflicht. Man könne nicht immer über Parteien klagen, selbst aber tatenlos bleiben, so seine Überzeugung. Jeder, der einmal in einer Diktatur gelebt habe, wisse um den Wert der Demokratie.
„Erinnerung ist schwierig: Sie kann schmerzhaft sein“, bilanzierte Schorlemmer die Arbeit an seiner Autobiografie. Gleichzeitig sei es ihm schwer gefallen, sein Leben in fünfhundert Seiten angemessen zusammenzufassen. Am Ende aber bleibt für ihn die Erkenntnis, sich selbst gegen alle Widerstände immer treu geblieben zu sein.
studiert Germanistik und Buchwissenschaften in Mainz. Im Sommer 2012 absolvierte sie ein Praktikum beim vorwärts.