Kultur

Der Mensch, den ich liebe

von Anna Weber · 3. März 2010
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Der in Deutschland geborene Robert hat sich nie für seine serbische Abstammung interessiert, bis er Ana, eine serbische Studentin, kennen und lieben lernt. Sie motiviert ihn, sich mit seiner Vergangenheit zu befassen, ohne selbst auf ihre Familiengeschichte eingehen zu wollen. Nach etlichen Versuchen mit Ana über ihre Kindheit im kriegserschütterten Serbien zu sprechen, entdeckt Robert zufällig den Grund für ihr Schweigen: Anas Vater ist Zlatko Šimić, ein mutmaßlicher Kriegsverbrecher.

In dubio pro reo?
Seit seiner Entdeckung herrscht Funkstille zwischen dem Paar. Robert weiß nicht, wie er sich Ana nähern soll und sie hat Angst vor der Verurteilung durch ihren Partner. Um ihre Geschichte besser verstehen zu können, reist Robert nach Den Haag, um dem Prozess über Šimić persönlich zu verfolgen. Doch immer wieder gerät er in einen moralischen Konflikt. Kann der Vater seiner großen Liebe tatsächlich für den Tod von 42 Menschen verantwortlich sein? Oder ist er gar zu Unrecht angeklagt? Hartnäckig weigert Robert sich, in dem Mann auf der Anklagebank einen Verbecher zu sehen.

Reise zu den eigenen Wurzeln

Robert versucht die Berichte der Zeugen mit den Beschreibungen Anas über ihren Vater zu einem Bild zusammen zu fügen, aber scheitert daran. Fast schon verzweifelt versucht er auch den anderen Zuschauern des Prozesses zu erläutern, dass Šimić unschuldig sein könnte. Doch diese reagieren mit Entsetzen und auch Robert selbst glaubt nicht völlig an seine Worte. Der junge Mann muss erkennen, dass er nur durch eine Reise nach Serbien, zu seinen eigenen Wurzeln, die Verhandlung wirklich verstehen kann. Nur langsam begreift er das Ausmaß des Balkankrieges und entdeckt, dass er selbst Teil der Geschichte umd Anas Vater ist.

Feinfühlig zeichnet Ljubić die beklemmende Atmospähre des Prozesses gegen den Mann, den Robert bislang nur aus den liebevollen Erzählungen seiner Freundin kannte. Während der Student am Ende zu seinem eigenen Standpunkt zu finden scheint, bleibt der Leser nachdenklich zurück. Geschickt gelingt es dem Autor das menschliche Gesicht hinter den Kriegsverbrechen zu verdeutlichen und das Gerichsturteil in einem völlig neuen Licht erscheinen zu lassen.

Nicol Ljubić "Meeresstille", Hamburg 2010, Verlag Hoffmann und Campe, 192 Seiten, 17,00 Euro

ISBN: 978-3-455-40116-5

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