Kultur

Der letzte Impressionist

von Vera Rosigkeit · 10. August 2006

Otto Niemeyer Holstein (1896-1984) war in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts vor den Nazis in den heute zirka 1700 Einwohner zählenden Ostsee-Ort geflohen. Seinem Anwesen an der idyllischen Ostseeküste hatte der Künstler frei nach seinem Segelboot "Lütter" den Namen "Lüttenort gegeben.

Freie Kunst im S-Bahn-Wagen

Otto Niemeyer Holstein lebte und litt unter zwei Diktaturen. Unbeeindruckt von Strömungen und Trends hatte er stets nur eines gesucht: "Mensch und Natur", so sein Biograf Achim Roscher. Die Kunstkritik sieht in seinen Bildern einen "letzten Hauch von Impressionismus". Und obwohl Niemeyer-Holsteins Gemälde von Museen in ganz Deutschland erworben wurden, zählt Roscher ihn heute zu den "verschollenen" Künstlern. Er begründet das damit dass viele Bilder des Malers, der sich als Mitglied der Akademie der Künste der DDR dem Dogma des sozialistischen Realismus verweigerte, in den Depots verschwunden seien.

Fast 50 Jahre lebte der in Kiel als Sohn eines Völkerrechtlers geborene Künstler in Lüttenort, seiner "Arche Noah". Ein 1933 von Berlin dorthin transportierter S-Bahn-Waggon war seine erste Behausung. Auf die Tür seines Ateliers malte er die Buchstaben "TABU". Der DDR-Staatssicherheit war Niemeyer-Holstein "verdächtig", weil er stets und ganz nach seiner Überzeugung sagte, dass die Kunst frei sei.

Dass Niemeyer-Holstein die anfangs brotlose Malerei und Zeichnerei überhaupt zu seinem Beruf machte, verdankt er seiner Begegnung mit dem Pinneberger Schriftsteller Werner von der Schulenburg (1881-1958) im Jahr 1917 bei einem Aufenthalt im schweizerischen Unterengadin. Der hatte ihn übrigens nicht nur dazu deutlich ermuntert sondern ihm zugleich geraten, seinem Familiennamen die Bezeichnung seiner Herkunftslandschaft beizufügen. So wurde aus Otto Niemeyer damals Otto Niemeyer-Holstein.

Lebensbild aus Freundschaft

Wie Achim Roscher, Verlagslektor und Mitarbeiter der Zeitschrift "Neue Deutsche Literatur" (ndl), die er von 1992 bis 1995 leitete, dazu kam eine Biografie über den Maler zu schreiben ist wieder ein andere Geschichte. Roscher, so der Aufbau-Verlag, lernte durch seine Tätigkeit jede Menge Künstler kennen. Daraus entstanden viele Freundschaften. Eine wohl recht intensive eben auch mit Otto Niemeyer-Holstein. Für die Biografie befragte Roscher Zeitzeugen in Ost und West. Er nutzte Gesprächsaufzeichnungen und Tonbandprotokolle sowie einen bisher teils unveröffentlichten Briefwechsel - zwischen ihm und Niemeyer Holstein. Entstanden ist ein Lebensbild, das übrigens nicht nur am Strand von Usedom interessant zu lesen ist.

Holger Küppers

Achim Roscher, "Otto Niemeyer-Holstein. Lebensbild mit Landschaft und Figuren", 2. Auflage, Ersterscheinung 2001, Aufbau Taschenbuch Verlag, 327 Seiten, 12,50 Euro, ISBN 3-7466-1737-5

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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