Kultur

Der lange Schatten der Hausfrauenehe

von Katarina Günther · 26. Juni 2013

Das Ehegattensplitting begünstigt das männliche Ernährermodell, hindert Frauen an der Erwerbstätigkeit, ist als familienbezogene Förderung ungeeignet und sozial ungerecht, denn es entlastet vor allem hohe Einkommen. Warum scheiterten dennoch jegliche Reformversuche und warum besteht eine so große Akzeptanz für diese Art der Besteuerung  in der Gesellschaft? 

Gut elf Millionen Ehepaare lassen sich in Deutschland derzeit beim Finanzamt zusammen veranlagen. Sie nutzen die Möglichkeit des Ehegattensplittings. Dieses Steuermodell verursacht im Vergleich zur Besteuerung der Einzelpersonen nicht nur Mindereinnahmen in Höhe von 27 Milliarden Euro im Jahr. Es bevorzugt darüber hinaus verheiratete Paare, indem die Einkommen zusammengerechnet, dann halbiert und darauf der Steuersatz angewendet wird. Das wirkt sich vor allem dann aus, wenn ein Partner viel und der andere wenig verdient, da der Steuersatz mit der Höhe des Einkommens steigt. Zudem verdoppeln sich die Freibeträge.

Maria Wersig legt in ihrer Dissertation überzeugend dar, warum das Dogma der Unantastbarkeit des Ehegattensplittings trotz vielfältiger Kritik weiterhin existiert. Sie beleuchtet die ökonomischen, sozialwissenschaftlichen und verfassungsrechtlichen Hintergründe.

Besondere Anerkennung – die Aufgaben der Ehefrau als Hausfrau und Mutter


Der Ehegattenbesteuerung lag schon immer die Diskussion um die Erwerbstätigkeit von Frauen zugrunde. Besonders im Nationalsozialismus und den 1950er Jahren war diese Art der Besteuerung ein Mittel, um Frauen vom Arbeitsmarkt fern zu halten.

Warum kann eine Regelung aus den 1950er Jahren, die mit der „besonderen Anerkennung der Aufgaben der Ehefrau als Hausfrau und Mutter“ begründet wird, bis heute Bestand haben? Die Autorin deckt die Gründe für die Einführung des Ehegattensplittings, für dessen institutionelle Verfestigung und seine Kontinuität auf. 

Verpasste Gelegenheiten – die Reformresistenz des Ehegattensplittings


Am Beispiel des gescheiterten Reformvorhabens der rot-grünen Bundesregierung  in der 14. Legislaturperiode 1998-2002 erläutert Wersig, warum die nach wie vor geltende Interpretation des Schutzes von Ehe und Familie in der Verfassung und  bestimmte Mechanismen der Kontinuitätsbewahrung, wie etwa der Anreiz, sich für die Einverdienstehe und damit bevorzugt das männliche Ernährermodell zu entscheiden, eine Reform des Ehegattensplittings verhindern. Die Autorin zeigt Reformpotenziale auf und diskutiert die Problematik der Übergangsregelungen für Ehen, die ihr Lebensmodell im Vertrauen auf das Ehegattensplitting ausgestaltet haben.

Das Bundesverfassungsgericht hat aktuell entschieden, dass das Ehegattensplitting rückwirkend ab 2001 auch für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften gelten muss. Inwiefern die Argumentation für das Ehegattensplitting tragfähig bleibt und ob sich angesichts der Tatsache, dass es in seiner aktuellen Ausgestaltung verfassungswidrig ist, hier eine „Gelegenheitsfenster“ für eine Reform auftut, wie Wersig vermutet, bleibt abzuwarten.

Ihr Buch ist ein wichtiger Beitrag zur frisch entflammten Diskussion um das Ehegattensplitting und Pflichtlektüre für die politischen Akteure – gerade jetzt, wo SPD und Grüne es erneut an den Pranger stellen. Denn: Nicht Paare sollen profitieren sondern Familien mit Kindern.

Maria Wersig: „Der lange Schatten der Hausfrauenehe. Zur Reformresistenz des Ehegattensplittings“, Verlag Barbara Budrich, 29,90 Euro, 250 Seiten, ISBN: 978-3-8474-0085

Autor*in
Katarina Günther

ist promovierte Rechtswissenschaftlerin und Journalistin. Ihre Schwerpunkte sind juristische und steuerrechtliche Themen.

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