Der junge Karl Marx: Was läuft schief im Kapitalismus?
Der Morgen ist früh, der Kopf vernebelt. Der betrunkene Karl übergibt sich erst geräuschvoll in eine Ecke, um sodann Kumpel Friedrich seine neueste Erkenntnis mitzuteilen: „Alle Philosophen haben die Welt bis jetzt immer nur interpretiert. Aber man muss sie verändern!“. So leicht kann Theoriebildung sein – dem Alkohol sei Dank.
Was schief läuft im kapitalistischen System
In diesem Film wird viel geraucht, getrunken und geredet: Es gilt, große Ideen zu entwickeln und diese einem ebenso großen Publikum mitzuteilen. „Der junge Karl Marx“ erzählt von wenigen Jahren im Leben des berühmten Ökonomen, vom Anfang der Freundschaft mit Friedrich Engels bis zum Revolutionsjahr 1848 und dem Erscheinen des Kommunistischen Manifests. Los geht es 1844 in Paris, wo Marx (August Diehl) mit seiner Frau Jenny (Vicky Krieps) und der neugeborenen Tochter im Exil lebt.
Das Geld ist knapp, Marx verdingt sich als Autor, doch eigentlich drängt es ihn danach, seine Gedanken zur Ausbeutung der Arbeiterklasse in Buchform aufzuschreiben. Allerdings hat Marx selbst mit der ausgebeuteten Arbeiterklasse kaum etwas zu tun – es fehlt an Eindrücken und Erlebnissen aus erster Hand. Glücklicherweise trifft der 26-jährige Marx zufällig den nur zwei Jahre jüngeren Friedrich Engels wieder. Aus anfänglicher Abneigung wird schnell Freundschaft, durchzechte Nächte inklusive.
Engels verfügt über das, was Marx fehlt: Augenzeugenberichte. Als Prokurist für seinen Vater, dem im englischen Manchester die Baumwollspinnerei Ermen & Engels gehört, bekommt Engels hautnah mit, was schief läuft im kapitalistischen System. Der Spross eines Bourgeois verliebt sich in die rebellische Baumwollspinnerin Mary Burns (Hannah Steele). Das, was Engels über die Verelendung des englischen Proletariats geschrieben hat, beeindruckt Marx. Die beiden Männer tun sich zusammen – zu zweit lässt sich eben besser eine Revolution starten als alleine.
Marx & Engels: zwei revolutionäre Geister
Das alles ist im Film zwar nett anzusehen, aber doch nicht wirklich mitreißend. An den Schauspielern liegt es nicht: August Diehl ist ein überzeugend-intensiver Marx, Stefan Konarske ein charmant-dandyesker Friedrich Engels. Und Vicky Krieps als Jenny Marx schafft es gerade durch ihr zurückhaltendes Spiel, ihrer Figur Wärme und Tiefe zu verleihen. Aber „Der junge Karl Marx“ will zu viel – und dann nicht genug. Er will einen Ausschnitt aus dem Leben Karl Marx‘ erzählen, bringt aber für seine Titelfigur kaum Interesse auf. Über den Charakter Friedrich Engels erfährt der Zuschauer viel mehr, er weiß, warum dieser Mann so angewidert von dem Wirtschaftssystem ist, woher seine Motivation rührt. Marx hingegen scheint im luftleeren Raum zu existieren. Woher kommt sein Hang zur Revolution? Man weiß es nicht.
Regisseur Raoul Peck will von zwei revolutionären Geistern erzählen, doch die passenden Bilder dazu fehlen. Große Ideen fallen wie nichts vom Himmel – oder sind, im Falle von Marx, einer ordentlichen Überdosis Alkohol zu verdanken. Der Mensch Marx bleibt so seltsam blutleer – da kann er noch so viel rauchen, trinken und reden.
„Der junge Karl Marx“ von Raoul Peck läuft ab dem 2. März 2017 in den deutschen Kinos.
Der bundesweite Kinostart wird in zahlreichen Städten und Kinos von prominenten Filmpatinnen und Paten aus der Politik präsentiert, u.a. dabei sind der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel und die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann.