Kultur

„Der John-Wayne-Abgeordnete“

von Die Redaktion · 27. April 2007
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"Ich als einer von 80 Millionen bin nicht James Bond, der die Welt rettet", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Olaf Scholz. Staatsrechtler Josef Isensee unterstützte diese Aussage. Schließlich sei die Freiheit aufgrund eines Mandates ein öffentliches Amt und nicht private Freiheit oder Selbstverwirklichung.

Mehrheiten für 80 Millionen

Die anwesenden MdBs und Isensee waren sich einig: Demokratie sei kein Alleingang, sondern Mehrheitsfindung. Es gehe schließlich um Gemeinwohl und die Vertretung der Interessen von 80 Millionen Bundesbürgern, so der Tenor. Interessensausgleich sei der Grund, warum der Wähler Abgeordnete ins Parlament schickt.

"Man ist ja nicht der einzige mit Sachverstand", betonte Olaf Scholz. Noch deutlicher wird Isensee: Lauter Einzelgänger würden letztlich die Funktion des Parlaments lähmen. Natürlich heißt Mehrheitsbildung häufig auch Kompromiss.

Fraktionsdisziplin

Die Fraktionen finden ihre Mehrheiten in internen Abstimmung und Diskussionen. Jeder Abgeordnete ist daran beteiligt - und muss die Fraktionsmeinung deshalb auch nach außen vertreten. Auch wenn ein Abweichler rechtlich nicht belangt werden kann: parteilich kann er zur Verantwortung gezwungen werden. Denn "Fraktionsdisziplin ist Fraktionskonsens", sagt Isensee.

Häufig findet Mehrheitsbildung auch in interfraktionellen Gremien statt. Wenn - wie im Fall der Großen Koalition - die Mehrheit üppig ist, und viele Leute abstimmen, habe die Einzelstimme weniger Gewicht, so Isensee.

Abgesehen von Dagmar Enkelmann (Die Linke) waren die Forums-Teilnehmer einig, wenn es um die Fraktionsdisziplin im Interesse von Mehrheiten geht. Enkelmann warf ein, dass es vertretbar sei, sich von der Fraktion zu distanzieren, wenn man dafür den Wahlversprechen treu bleibe. Allerdings spielt die Verfassung den Abgeordneten - im Interesse der Mehrheitsfindung von Wahlversprechen frei.

Glamour-Faktor

Ein Heer von Einzelgängern, bei jeder Abstimmung allein ihrem Gewissen verpflichtet, birgt noch ein weiteres Problem: Der Wähler hätte keinerlei Grundlage, auf der er seine Wahlentscheidung treffen kann. Letztlich vertraut man bei der Stimmabgabe darauf, dass die Partei grundsätzlich für eine bestimmte Richtung steht - geschlossen, als Fraktion.

Der "John-Wayne-Abgeordnete", sagt Volker Beck (Bündnis 90/ Die Grüne), wird als Unterhaltungsfaktor geschätzt. Er ist der Liebling der Medien und sorgt für Abwechslung. Bei der Wahl allerdings, das zeigt sich stets deutlich, wird die geschlossene, zuverlässige Fraktion honoriert.

Die Selbstdarstellung mancher Abweichler, als ihrem Gewissen besonders Verpflichtete, während die anderen gewissenlose Opportunisten seien, ist falsch. Denn, so Isensee, "wer sein Gewissen zurückstellt, und eine Mehrheit der Fraktion, eine Stabilität der Regierung sichert, kann sich ebenfalls auf sein Gewissen berufen."

Birgit Güll

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