Bis zur Einschulung trug Martin Hyun einen koreanischen Vornamen. Dann beschlossen seine Eltern, ihm zwecks Erleichterung der Eingewöhnung einen deutschen Namen zu geben. Hyuns Schwester heißt übrigens Simone - seit sie sechs Jahre alt ist.
Ein durchaus übliches Vorgehen in deutsch-koreanischen Familien. "Es sagt etwas aus über den Willen der koreanischen Einwanderer, sich einzuleben", sagt Irina Mohr. Sie leitet das Forum Berlin der Friedrich-Ebert-Stiftung, wo Martin Hyun jüngst sein Buch "lautlos ja - sprachlos nein. Grenzgänger zwischen Kora und Deutschland" vorstellte.
Hyun wurde 1979 in Krefeld geboren. Er hat schon eine Karriere als Hockeyspieler hinter sich. Seine Eltern gehören zu der Gruppe ostasiatischer Einwanderer, die in den 60er und 70er Jahren gemäß einer Vereinbarung zwischen Korea und der Bundesrepublik nach Europa kamen. Die Frauen wurden damals Krankenschwestern, die Männer Bergarbeiter. Deutschland erhielt Arbeitskräfte, Korea Devisen. Und die Gastarbeiter die Hoffnung auf ein besseres Leben für ihre Kinder.
Spitzname des Vaters: "Chinesische Mauer"
Wie sehr dieser Wunsch die Familie und ihren Alltag prägte, was er allen Familienmitgliedern abverlangte, beschreibt Hyun anschaulich, eindringlich. Trotz der harten Arbeit mit langen Schichtdiensten lernte der Vater jeden Tag mehrere Stunden mit den Kindern: Schönschrift, Lesen, Hausaufgabenkontrolle sowieso. In den Ferien um sechs Uhr aufstehen und Lernen war normal bei Hyuns. Der Vater, der Bitten um Nachsicht mit Anekdoten aus seiner Militärzeit in Korea quittierte, erhielt den Spitznamen "Chinesische Mauer".
Satirisch und frech beschreibt Martin Hyun gelebte Klischees, wenn er Gespräche zwischen Koreanischen Eltern beschreibt, die sich in gebrochenem Deutsch mit den Bestleistungen der Kinder zu übertrumpfen versuchen. Nachdenklich beschreibt der Autor aber auch, wie ihm klar wurde, was die Eltern alles entbehren und erleiden mussten. Verständnis keimt auf.
Hyun schriebt detailreich über das Leben einer Gruppe, die zumeist nur mit wenigen Worten beschrieben und auf die in der öffentlichen Wahrnehmung in der Regel nicht weiter eingegangen wird: fleißig, gebildet, unproblematisch sind die Koreaner. Werden Arzt oder Anwalt. Stören nicht, leben nicht in Problemvierteln. So das Klischee. Klappe zu, keine weiteren Informationen.
Einmal Ente süß-sauer
Der Titel "lautlos ja - sprachlos nein" ist also fast eine kleine Inhaltsangabe, denn Hyun befüllt das Bild. Mit Lustigem, mit Bestätigung der Klischees. Aber auch mit Kritik: Genervt beschreibt er Diskriminierungen im Alltag. Dass er zum Beispiel nicht mehr mit Anzug in ein Chinarestaurant geht, weil dann gleich jemand mit dem Finger schnippt und "einmal Ente süß-sauer" ruft. Oder dass der Hund des Vaters beim Gassi gehen immer mitleidige Blicke erntet, weil offenbar manche fürchten, er würde im Suppentopf landen.
"Es gibt nichts Interessanteres zu lesen als Bücher über das Leben anderer Leute", schreibt Wladimir Kaminer in seinem Vorwort. Zumal wenn man so wenig über deren Leben weiß, obwohl es nebenan passiert.
Literatur:
Martin Hyun: lautlos - ja, sprachlos - nein. Grenzgänger zwischen Korea und Deutschland
EB-Verlag, Hamburg-Schenefeld 2008, 259 Seiten, 19,80 Euro, ISBN 978-3-936912-84-5
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Der Artikel erschien in der vorwärts-Ausgabe 6/2009 im Kulturteil
"Zeitblende".