Kultur

Der erste richtige Umweltpolitiker Deutschlands

von Marcel Riethig · 13. November 2008
O' zapft is: Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel beim Bieranstich auf dem Münchner Oktoberfest
O' zapft is: Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel beim Bieranstich auf dem Münchner Oktoberfest

Die Idee für das Buch entstand vor zwei Jahren, als die Niedersachsen das 60-jährige Bestehen des Landes feierten. Kaum einer der heute noch lebenden Politiker habe Niedersachsen so nachhaltig mitgestaltet wie Klaus Peter Bruns, erklärte der Herausgeber und Bundestagsabgeordnete Thomas Oppermann. Bruns sei vermutlich der einzige noch vor dem ersten Weltkrieg geboren Politiker in Deutschland, der bis zum heutigen Tage mehr als 60 Jahre ununterbrochen politisch aktiv ist. Oppermann, der seit 1989 den Göttinger Unterbezirks leitet und sich als "politischen Ziehsohn" von Klaus Peter Bruns bezeichnet, hob dessen 27-jährige Tätigkeit als Abgeordneter des Niedersächsischen Landtags hervor. Bruns Stärke sei immer seine Authentizität gewesen. So habe er bei den Landwirten hohes Ansehen genossen und die SPD als eine linke Volkspartei charakterisiert, die auch die Mitte der Gesellschaft vertrete.

Auch Prof. Dr. Ernst-Gottfried Mahrenholz, Bundesverfassungsrichter a. D. und Kabinettkollege von Klaus Peter Bruns in seiner Zeit als Minister, war gekommen, um die "überragende ausführliche Darstellung eines ganzen Lebens" vorzustellen. Er würdigte die politische Lebensleistung von Bruns. Dieser sei in den 70er Jahren der erste Politiker gewesen, der wirklich über den Umweltschutz redete und ökologische Interessen definierte. Trotz seiner Tätigkeit als Abgeordnete sei Bruns stets auch umfassend in der Kommunalpolitik aktiv gewesen, zollte Mahrenholz seinem Weggefährten Lob und Anerkennung.

Der Geehrte selbst ließ es sich nicht nehmen, für das Buch zu danken und sein politisches Vermächtnis zu formulieren. Aus den Eindrücken des Zweiten Weltkrieges habe er die leidenschaftliche Konsequenz gezogen, ein Leben lang für Demokratie einzutreten. Was er sich vorgenommen habe, sei noch nicht erreicht. Es gäbe immer noch Krieg und Wettrüsten auf der Welt. Bruns wörtlich: "Ich hoffe sehr, dass dieses Buch dazu beiträgt, dass die Menschen über ihre Verpflichtung nachdenken, für ihre Kinder eine friedliche und mitmenschliche Welt zu schaffen."

Das Buch ist ab 15. November im Handel erhältlich. Weitere Autoren sind unter anderem Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel.

Thomas Oppermann und Gerhard Steidl (Hg.): "Klaus Peter Bruns. Ein Leben als Landwirt und Politiker", Steidl-Verlag Göttingen, 240 Seiten, 15 Euro, ISBN 978-3-86521-782-0


Klaus Peter Bruns: Zu meinem 95. Geburtstag am 28. November 2008 Schlussfolgerungen

Meine Erfahrungen und Schlussfolgerungen aus einem fast 100jährigen Leben habe ich wie folgt eingeleitet: "Wer wie ich 1913 vor dem 1. Weltkrieg geboren wurde, dem wurde mit Blick auf sein Leben eine umfassende Mitverantwortung in die Wiege gelegt."
Dies war:

1. Das gesamte Zeitgeschehen, das anfangs 1913 bis 1945 unheilvoll war: Der 1. Weltkrieg mit verhängnisvollen Folgen - Zerstörung des ersten deutschen demokratischen Staates Naziregime - 2. Weltkrieg. Den 2. Weltkrieg erlebte ich zuerst als Frontsoldat und war damit Zeuge all der ungeheuerlichen, alle Menschenrechte missachtenden Kriegsziele Hitlers. Gegen Ende des 2. Weltkrieges wurde ich als Nazigegner verhaftet und in der Rüstungsindustrie eingesetzt

2. Die Zeit von 1946 bis 2008, in der ich mich selbst verpflichtete, mit anderen den Aufbau und die Entwicklung eines demokratischen Deutschlands, eines vereinten Europas und einer heilen und friedlichen Welt zu fördern und in die SPD eintrat und dann 62 Jahre in ununterbrochenem Einsatz diesen Zielen und den anstehenden Aufgaben in Gemeinde, Landkreis und in unserem Land sowie der Landwirtschaft diente.

3. Als niedersächsischer Landtagsabgeordneter und Landwirtschaftsminister war ich der erste, der mit Hinweis auf die laufende Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen konkrete
und wirksame Maßnahmen hiergegen ergriff, so: Übernahme und aufgabenangepasster Ausbau des amtlichen Naturschutzes Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutz Schwerpunkte der Politik massive Verstärkung des Gewässerschutzes - erstes zeitgerechtes Abfallbeseitigungsgesetz im Bundesgebiet - Entwicklung Waldbaurichtlinie "Langfristige ökologische Waldentwicklung", die die artenreichsten, standortgerechten und standfesten sowie betreffs Holz- und Finanzertrag leistungsfähigsten Mischwälder sichert.

4. Vorrangige Politik für eine Zukunft, die der heutigen Jugend und kommenden Generationen ein Leben in einer heilen, friedlichen Welt und bewahrten Natur sichert. Diese heile und friedliche Welt und bewahrte Natur haben wir bis heute nicht erreicht. Wir erfuhren dieser Tage, dass die Auswirkungen des Klimawandels in den Polargebieten viel dramatischer als bisher angenommen sind, die Temperatur schon fünf Grad über bisher normal liegt und das Eis besorgniserregend schmilzt mit unabsehbaren Folgen.

In meinen Schlussfolgerungen heißt es: "Jeder Mensch trägt heute volle Mitverantwortung für das Heute und das Morgen, also für die Zukunft". Dieser Verantwortung muss jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten und Fähigkeiten nachkommen. Das fängt beim Energiesparen an und führt zur politischen Aktivität. Deshalb mein Schlusssatz: "Wir Menschen haben heute eine sehr viel weitergehende Verantwortung, als wir sie bisher getragen haben". Wer das begreift, der kann und darf nicht politisch passiv oder verdrossen sein, der muss zumindest zu den Fordernden und Drängenden gehören.

Nun aber erleben wir die weltweite Finanzkrise mit der Gewichtigkeit der Weltwirtschaftskrise 1929, die ich mit all ihren Folgen erlebt habe. Da haben die für den Finanzmarkt in der Welt aber auch im eigenen Land Zuständigen durch Nutzung des lnvestment-Bankings Handel mit Krediten, deren Deckung nicht überprüft war, der Allgemeinheit (Steuerzahlern und Staaten) Schulden in Höhe von unfassbareren Hunderten Milliarden aufgebürdet. Auf Europa sollen allein 750 Milliarden entfallen. Dieses Verfahren war in den USA rechtens und gängig, wurde aber von europäischen Kreditinstituten und Banken ohne Überprüfung übernommen! Alle, die sich wie ich in einem geordneten demokratischen Staat für das Allgemeinwohl eingesetzt haben, sei es als einfaches Ratsmitglied oder als Minister, waren doch überzeugt, dass das Finanzsystem höchster Verantwortung und Überprüfung unterlag. Haben wir, die wir uns um eine gute Zukunft für Alle bemüht haben, nun umsonst gewirkt?

Können wir jetzt noch in den öffentlichen Haushalten unsere bisher als unaufschiebbar geltenden Forderungen unterbringen wie Klimaschutz und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen? Können wir endlich soziale Gerechtigkeit herstellen und die überfällige Bildungsreform durchsetzen? Man sagte mir 95-Jährigen, diese Fragen brauchst du jetzt nicht mehr stellen. Ich aber sage, jetzt dürfen wir nicht resignieren. Das müssen wir durchstehen. Eine unabdingbare Forderung: Der Finanzmarkt muss unter demokratische Kontrolle und staatliche Ordnung und Lenkung. Der von der Krise hart betroffenen Wirtschaft muss geholfen werden, auch wegen der Arbeitsplätze.

Umweltschutz und Schutz einer intakten Natur (z.B. Klima) haben jetzt absoluten Vorrang, ebenso Schluss mit Wettrüsten und Schluss mit gewaltsamen Konfliktlösungen zwischen Völkern und Staaten (siehe Atomwaffen). Dies wäre bis vor kurzem mein Schlussappell gewesen.

Wir alle sind jetzt gefordert: Schutz einer intakten Natur und des Klimas, Frieden, in soziale Gerechtigkeit eingebundene Arbeitsplätze, Löhne und Einkommen, Bildungsreform behalten ihren Vorrang. Hier darf es keinen Aufschub geben!




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