Kultur

Der erste palästinensische Diplomat

von Peter Brinkmann · 25. April 2012

Er war der erste diplomatische Vertreter der PLO. Abdallah Frangi hat seine Autobiographie „Der Gesandte. Mein Leben für Palästina“ geschrieben. Der einstige Vertraute Yassir Arafats und heutige Berater Mahmud Abbas’ erzählt den Nahost-Konflikt aus palästinensischer Sicht – und zeigt Verständnis für Israel.

Abdallah Frangi kam 1962 nach Frankfurt um Medizin zu studieren. Für den Sohn eines palästinensischen Scheichs wurde Deutschland zur zweiten Heimat. Hier setzte er den Kampf für die Unabhängigkeit seiner ersten Heimat fort.

Die Stimme Palästinas

42 Jahre lang war er, der enge Vertraute Yassir Arafats. Frangi war es, der Joschka Fischer zur ersten Begegnung mit Arafat nach Algerien fliegen ließ. Er war es, der den PLO-Chef in Deutschland hoffähig machte, der ihn mit allen deutschen Politikern zusammenbrachte und für den Aufbau seiner Heimat warb. Frangi war die Stimme Palästinas, von manchen angefochten, von vielen geschätzt, von allen respektiert.

Als enger Mitarbeiter Arafats und Mitglied des Zentralkomitees der PLO ist er heute derjenige in der palästinensischen Politik, der mit den Gründen und Hintergründen des Nahost-Konfliktes so vertraut ist wie kaum ein anderer.

Kritische Studie von Arafat

Abdallah Frangis Lebensbericht ist die erste Autobiografie eines Palästinensers aus dem engen Umkreis von Arafat. Frangi liefert eine facettenreiche, gefühlsbetonte, aber nicht unkritische Studie des PLO-Chefs Arafat und seiner wichtigsten Mitstreiter. Auf dramatische und aufschlussreiche Weise sind Lebensgeschichten und Weltgeschichte in dieser Gesamtdarstellung des Nahost-Konflikts aus palästinensischer Sicht verflochten.

Keine Abrechung mit Israel

Wer allerdings eine bittere Abrechnung mit der israelischen Politik erwartet, wird enttäuscht. Frangi findet Worte offener Kritik für die Politik Israels, bleibt aber in der Auseinandersetzung fair und sachlich – so kennt man ihn von zahllosen Fernsehauftritten und Podiumsdiskussionen. Hass ist seine Sache nicht, ihm geht es um das Recht seines Volkes. Er plädiert für die Anerkennung eines souveränen palästinensischen Staates und für Frieden in der Region.

Dank an „Ben Wisch“

Nach den Anschlägen einer palästinensischen Terrorgruppe während der Münchner Olympiade wird Frangi aus Deutschland ausgewiesen und steht auf der Todesliste des israelischen Geheimdienstes. Nur knapp entgeht er einem Briefbombenattentat und muss erleben, wie viele seiner politischen Mitstreiter ermordet werden. Dennoch setzt sich Frangi unerschütterlich für eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts ein und gewinnt langsam die Sympathien deutscher Politiker.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Wischnewski – „Ben Wisch“ genannt – machte sich dafür stark, die neuen palästinensischen Pässe in Deutschland herzustellen. 1996 wurden tatsächlich eine halbe Million Pässe an die palästinensische Autonomiebehörde ausgeliefert – als Geschenk der Bundesrepublik Deutschland. Seither gehört die Bundesrepublik zu den zuverlässigsten Freunden Palästinas.

Glaube an Frieden

Was Frangis Buch so beeindruckend macht, ist der Glaube an Frieden. So schreibt er über seine Begegnung mit Israelis im Gefängnis: „1967 saß ich in den Gefängnissen von Hebron und Bethlehem. Nach wochenlangen Verhören saß ich eines Tages nicht mehr einem israelischen Offizier gegenüber, sondern einem Professor, dann einem Arzt, dann einem Arbeiter usw., also gewöhnlichen Israelis, und alle erzählten einfach die Geschichte ihres Lebens.

Ein jüdisches Schicksal nach dem anderen rollte vor mir ab, in alltäglichen Worten geschildert, mit ruhiger Stimme vorgetragen, und aus der anonymen Masse meiner Feinde schälten sich mit einem Mal einzelne Menschen mit individuellen Biographien heraus. Die Gründe für meinen Kampf um Palästina wurden durch diese Erfahrung nicht hinfällig. Aber seither habe ich auch nach den Gründen derer gefragt, die in diesem Kampf auf der Gegenseite standen.“

Frangi erzählt so lebendig, dass der Leser das Buch wie einen guten Roman nicht aus der Hand legen möchte. wie es noch keins auf dem deutschen Büchermarkt gegeben hat, unverzichtbar für jeden, der die Tragödie des Nahost-Konflikts verstehen will. Vom Beduinenzelt in die Bonner Republik – Lebensgeschichte als Weltgeschichte. Unbedingt lesen!

Abdallah Frangi: „Der Gesandte. Mein Leben für Palästina. Hinter den Kulissen der Nahost-Politik“, Heyne Verlag, 432 Seiten, 21,99 Euro, ISBN 978-3-453-19354-3

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