Von Henri Cartier-Bresson stammt die Theorie des "entscheidenden Augenblicks" in der Fotografie. Seine Vorgehensweise beim Fotografieren beschrieb er folgendermaßen: "Man nähert sich auf
leisen Sohlen, auch wenn es sich um ein Stillleben handelt. Auf Samtpfoten muss man gehen und ein scharfes Auge haben. (…) Kein Blitzlicht, das versteht sich wohl, aus Rücksicht vor dem Licht,
selbst wenn es dunkel ist. Andernfalls wird der Photograph unerträglich aggressiv. Das Handwerk hängt stark von den Beziehungen ab, die man mit den Menschen herstellen kann. Ein Wort kann alles
verderben, alle verkrampfen und machen dicht."
Mit seiner Leica schoss er in Sekundenschnelle Bilder von höchster Präzision. Diese Kleinbildkamera ermöglichte erstmalig Schnappschüsse. Der Schwarz-Weiß-Meister arbeitete immer mit einem
50-Millimeter-Objektiv. Er verzichtete auf Blitzlicht und nachträgliche Ausschnitte aus der Dunkelkammer. Die Vergrößerung sollte lediglich das gesamte Kleinbildnegativ zeigen. Seine
Momentaufnahmen fangen die Realität mit jener Leichtigkeit ein, die sie einfach unvergleichbar machen.
Fotografie und Film
Cartier-Bresson, 1908 als Sohn einer Industriellenfamilie geboren, studierte von 1922 bis 1928 zunächst Malerei und Schauspielkunst. Ab 1930 widmete er sich dann leidenschaftlich der
Fotografie. Seine Reiseaufnahmen wurden in den dreißiger Jahren immer wieder gern in Zeitschriften gedruckt oder in Ausstellungen veröffentlicht.
Gelegentlich engagierte sich Cartier-Bresson auch für den Film. Er arbeitete zum Beispiel als Assistent bei dem großen Regisseur Jean Renoir und dokumentierte den spanischen Bürgerkrieg.
Ab 1940 geriet er für fast drei Jahre in deutsche Kriegsgefangenschaft. Nachdem zwei Fluchtversuche misslangen, konnte er sich beim dritten endgültig nach Paris durch schlagen. Dort schloss
er sich einer Gruppe von Fotographen der französischen Résistance an. Gemeinsam dokumentierten sie die Zeit der deutschen Besatzung und schließlich den Rückzug der Truppen.
Fotograf und Motive
Zusammen mit seinen Kollegen Robert Capa, David Saymour und George Rodger gründete Cartier-Bresson am 27. April 1947 in Paris die erste unabhängige Fotoagentur und Fotografenagentur. Ziel
von Magnum Photos war es, den Fotographen die Rechte an den eigenen Bilder gegenüber den großen Magazinen und Agenturen und eine entsprechende Entlohnung zu sichern. In ihrer Kooperative
humanistisch gleich gesinnter Fotografen wollten diese selbstständig organisiert und unabhängig sein.
In den folgenden Jahren bereiste Cartier-Bresson die gesamte Welt: von Europa, nach Mexiko, Indien, Pakistan, Kuba, China, Indonesien bis in die USA. Er porträtierte Länder und Menschen.
Als erster ausländischer Fotograf besuchte er 1954 sogar die Sowjetunion. 1955 durfte Cartier-Bresson als erster Fotograf überhaupt im Pariser Louvre ausstellen.
Er fotografierte Berühmtheiten, wie Mahatma Gandhi, Coco Chanel, Marilyn Monroe oder Alberto Giacometti. Ebenso hielt er die Situation in China im Jahr der Gründung der Volksrepublik fest.
1972 beendet Cartier-Bresson das professionelle Fotografieren und widmete sich fortan der Malerei und dem Filmen.
Seine Fotos sind weder sensationslüstern noch gestellt. Und doch erwischte er immer den rechten Moment. Seine Methode ist bis heute unerreicht. "Der Schnappschuss und sein Meister" bietet
neben einer gut lesbaren Biografie zahlreiche Abbildungen, die einen Überblick über die Arbeit des Meisters geben. Es ist nicht nur Fotobegeisterten zu empfehlen.
Clément Chéroux: Henri-Cartier Bresson: Der Schnappschuss und sein Meister, Schirmer/ Mosel Verlag 2008, 160 Seiten, 14,80 Euro, ISBN 978-3-8296-0377-5
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