Kultur

Der Drache erwacht. China im 21. Jahrhundert

von Die Redaktion · 22. März 2006

Konrad Seitz' Sachbuch garantiert enorme Spannung und bietet reichhaltige Information. Er arbeitete zwölf Jahre für das deutsche Außenministerium. Ohne abzuschweifen, verknüpft er Tatsachen und kluge Analyse, synthetisiert Vergangenheit und Gegenwart.

Kolumbus lebte noch nicht, da fuhren große chinesische Schiffe bis Afrika und erreichten sogar das rote Meer. "Sanft" beherrschte China die fernöstliche Region, organisierte einen Handel, der allen Vorteile brachte - anders als Europäer es taten.

Papier, Buchdruck, Kompass, Schießpulver erfanden zuerst Chinesen. Lange Zeit ging China auch bei Agrarwissenschaften, Eisenfertigung und Schiffbau voraus, während Europa selbstmörderische Kriege führte.

Dann aber folgte der jähe Absturz. Seit 1430 zerstörten die Ming-Kaiser seetaugliche Schiffe. Wichtige Techniken gerieten in Vergessenheit. China - völlig isoliert - stürzte kraftlos nieder, sobald arrogante Europäer gewaltsam die leere Bühne betraten, um das erlahmte Reich ins steinharte Joch zu pressen.

Chinas Aufstieg und Krise, legt Seitz dar, verantwortete gleichermaßen Konfuzius, der China ethisch formte. Harmonisch wie eine Familie sollten die Chinesen leben. Klerus und Erbadel gab es nicht; die europäische Idee des Fortschritts kannte niemand. Fast jeder Chinese strebte moralischen Idealen der Vergangenheit nach. Zwanzigtausend konfuzianisch gebildete Mandarine lenkten und regierten. Sie predigten "Ordnung und Harmonie".

Der deutsche Philosoph Leibniz sah in China die höchste Zivilisation realisiert. Aber Konfuzius tradierte zwiespältige Weisheiten. Er verordnete eine Gemütsruhe, die China wehrlos machte.

1842 zwangen britische Kolonialherren den Mandschu-Kaiser, Opium zu importieren. "Hunde und Chinesen" durften das Shanghaier Ausländerviertel nicht betreten. China - alt und mürbe - erlag der "westlichen, faustischen Kultur".

Europäische "Aufklärung" ermöglichte unter Sun-Yatsen einen mühseligen Neubeginn. Mao "sinisierte" marxistische Theorien und erhob die Bauern zum revolutionären Subjekt. Er verursachte aber auch Hungerkatastrophen, Isolation, Armut und, tyrannisierte sein Volk. Die "Kulturrevolution" der roten Mandarine diskreditierte kommunistische Ideen und verwüstete China auch geistig.

Deng Xiaoping vollzog marktwirtschaftliche Reformen. Seither ist China eine "Entwicklungsdiktatur mit kommunistischer Fassade". Ökonomische Dynamik kennzeichne das autoritäre Regime des Jiang Zemin; er fördert Privatunternehmer und beendete Maos Abschottung. In China blühe und gedeihe die zweitstärkste Volkswirtschaft der Welt. Schon jetzt gebe es mehr chinesische als japanische Ingenieure. 1,2 Milliarden emsige Chinesen klopfen an das europäisch-amerikanische Tor.

Allerdings plagen schwere soziale Krankheiten das Land - Arbeitslosigkeit, Inflation und horrende Umweltzerstörung. Nicht nur wirtschaftliche Effektivität interessiere die chinesische Regierung, sondern sie belebe den alten Reichspatriotismus. Irrlichtert Peking zwischen Tradition und westlicher Modernität? Langfristig könne China zur Demokratie finden.



Rolf Helfert

Konrad Seitz: China. Eine Weltmacht kehrt zurück, Goldmann Verlag, München 2006, 484 Seiten, 11,95 Euro, ISBN 978-3-442-15376-3.



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