Der Bebel-Preis schützt vor Resignation
In „mittlerem Furor“ habe Günter Grass vor einigen Jahren sein Büro betreten und gegen die Geschichtsvergessenheit gewettert, erzählt Sigmar Gabriel bei der Preisverleihung. Als Grass das Büro wieder verließ, hatte er den SPD-Chef vom August-Bebel-Preis überzeugt. Alle zwei Jahre wird er vergeben. Der Preis erinnert an August Bebel, den Mitbegründer der Sozialdemokratie, und sein Engagement für Demokratie und soziale Gerechtigkeit und zeichnet Persönlichkeiten aus, die sich in seinem Sinne engagieren. Eine solche Persönlichkeit ist Klaus Staeck, der diesjährige Preisträger.
Preis für Staeck, Erinnerung an Günter Grass
Nach dem Philosophen Oskar Negt und dem Journalisten Günter Wallraff ist der Künstler Klaus Staeck der dritte Träger des Bebel-Preises. Auch diesmal hätte Günter Grass die Preisverleihung eröffnet. Doch der Literaturnobelpreisträger ist am 13. April gestorben. Auf der Bühne im Willy-Brandt-Haus gab es ein Bild von ihm, ein Foto, das Jim Rakete aufgenommen hat. Die Schriftstellerin Eva Menasse las Gedichte von Grass. Wir müssten uns „trösten, mit den Texten die bleiben“, so Menasse. Bleiben wird auch Grass’ Schöpfung der Bebel-Preis. Dass er in diesem Jahr an Klaus Staeck geht, dafür ist er mitverantwortlich. Grass war bis zuletzt aktiv an der Auswahl des Preisträgers beteiligt.
Klaus Staeck der politische Künstler. Klaus Staeck der Sozialdemokrat. Der unermüdliche Einmischer. „Er engagiert sich für seine Überzeugungen und will andere überzeugen“, sagte Christina Rau, die Witwe des früheren Bundespräsidenten Johannes Rau, in ihrer Laudatio. Er rede mit vielen, lade zum Gespräch, sagte sie, aber „er redet niemandem nach dem Mund und will sich nicht vereinnahmen lassen.“ Staecks Plakate, so Rau, seien in das kollektive Gedächtnis der Bundesrepublik eingegangen. Etwa jenes ironische Plakat, das Staeck zur Bundestagswahl 1972 plakatierte. „Deutsche Arbeiter! Die SPD will Euch Eure Villen im Tessin wegnehmen“ stand darauf.
„Einmischung ist erste Bürgerpflicht“
„nie mehr amazon“ steht auf einem seiner aktuelleren Plakate. Staeck ist ein engagierter Kämpfer für Demokratie und Gerechtigkeit, gegen Umweltverschmutzung, Fremdenhass und die Auswüchse des Kapitalismus. Dabei macht er auf Missstände aufmerksam, prangert sie an mit seiner Kunst. „Klaus Staeck will die Dinge verändern. Er will nicht Recht haben, sondern Recht bekommen“, so Rau.
„Einmischung ist die erste Bürgerpflicht“, sagte Klaus Staeck in seiner Dankesrede. Vor mehr als 50 Jahren ist er in die SPD eingetreten ist, am 1. April 1960. „Ich wollte mitverantwortlich sein, nicht nur am Wegesrand stehen“, erklärte er. Der Bebel-Preis ehre ihn. „Im Namen von August Bebel für die Sozialdemokratie in die Pflicht genommen zu werden, schützt vor Resignation“, so Staeck. Dann wetterte er gegen das neue Biedermeier, das mit Kanzlerin Angela Merkel in Deutschland Einzug halte. Er warnte vor einer schleichenden Entpolitisierung: „Mit unpolitischen Menschen kann man am Ende alles machen “, sagte Staeck. Er wird weiter dafür kämpfen, dass es nicht soweit kommt.
Goetz Schleser
ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.