Kultur

Das politische Buch: Ein „Plädoyer für die Menschlichkeit“

Für sein Buch „Flucht. Eine Menschheitsgeschichte“ wurde der Historiker Andreas Kossert am Montag mit dem Preis „Das politische Buch“ der Friedrich-Ebert-Stiftung ausgezeichnet. Großes Lob für Autor und Werk gab es von Martin Schulz.
von Alica Aldehoff · 18. Mai 2021

Glaubt man Martin Schulz, ist das Buch „ein außergewöhnliches Werk“. Und mit Literatur kennt Schulz sich aus, schließlich war er vor seiner politischen Karriere Buchhändler mit eigenem Laden. Nun ist Martin Schulz seit einigen Monaten Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung und durfte in dieser Funktion am Montag erstmals den „Preis das politische Buch“ überreichen.

Er ging an den Historiker Andreas Kossert. Sein „außergewöhnliches Werk“ mit dem Titel „Flucht. Eine Menschheitsgeschichte“ zeichnet auf gut 400 Seiten individuelle Schicksale von Geflüchteten nach und ordnet sie in das historische Weltgeschehen ein. Das Buch sei ein wichtiger Bestandteil der öffentlichen Auseinandersetzung, betonte Martin Schulz. Gerade deshalb sei es mutig und begrüßenswert, dass ein Werk gekürt wurde, das sich mit dem Thema Flucht auseinandersetzt.

Die Veranstaltung wurde im Livestream übertragen und von einem Gespräch zwischen Preisträger Andreas Kossert sowie dem Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani und der Autorin Olga Grjasnowa begleitet. Letztere ließen auch ihre eigenen Erfahrungen ihrer Familiengeschichte einfließen, in der das Thema Flucht stark verankert ist. Kosserts Buch sei wichtig, „weil es individuelle Geschichten hinter der für die Gesellschaft oft bedrohlich erscheinenden Zahl an Menschen auf der Flucht“ erzähle, lobte Grjasnowa. Diese gingen in der Flüchtlingsdebatte oft verloren.

Kermani begrüßte, dass das Buch die Allgegenwärtigkeit der Flucht verdeutliche: Flucht habe es immer gegeben und vor dem Hintergrund der Klimakrise werde das Phänomen eher zu- als abnehmen. Es verwundere ihn, so Kermani, dass in Anbetracht der nicht abnehmenden Aktualität des Themas, Flucht und Geflüchtete überhaupt so wenig in der aktuellen öffentlichen Diskussion vorkämen.

Belletristik da, wo empirische Beweise fehlten

Autor Andreas Kossert selbst betonte, ihm sei es darum gegangen „kein enzyklopädisches Werk zu schreiben“. Vielmehr habe er, inspiriert von seiner eigenen Familiengeschichte, die geprägt von der Flucht seiner Eltern aus dem heutigen Polen ist, der Vielstimmigkeit des Themas Raum geben wollen. So beschreibt Kossert etwa die Gefühle, die Menschen hatten, als sie ihr Heim für immer verlassen mussten. Oft seien für solche Situationen keine empirischen Beweise zu finden: „So vermag es dann oft die Belletristik, diesen Moment für uns wenigstens ansatzweise nachvollziehbar zu machen.“

Und so waren sich die Diskutant*innen auch einig: In nahezu jeder Familiengeschichte fände sich das Thema Flucht auf irgendeine Weise wieder. Auch deshalb nannte Werner Stephan, Sprecher der Jury für „das politische Buch“, Kosserts Werk ein „Plädoyer für die Menschlichkeit und eine Pflichtlektüre für alle, die heute Flüchtlings- und Integrationspolitik gestalten“.

node:vw-infobox

0 Kommentare
Noch keine Kommentare