In die Thematik einführend macht der studierte Sozialpädagoge Popp deutlich, wie widersprüchlich sich unsere Wirtschaftsordnung präsentiert. So werden trotz steigender Unternehmensgewinne
Tausende Mitarbeiter entlassen, ungeachtet hoher Arbeitslosigkeit die Arbeitszeiten und Überstunden ausgeweitet, trotz Überflussgesellschaft breite Gesellschaftsschichten immer ärmer. Als Profiteur
dieses Systems stellen sich die Besitzer von Geldvermögen dar. Deren Einnahmen seien in Deutschland allein zwischen den Jahren 1988 bis 1992 von 87 Mrd. auf rund 176 Mrd. angestiegen. Diese Zahlen
erklären die zunehmende Spaltung der Gesellschaft angesichts stagnierender Löhne bei hohen Lohnnebenkosten.
In diesem System tritt auch der Staat keineswegs als Regulator solch prekärer Entwicklungen auf. Vielmehr verstärken seine steuerfinanzierten Subventionsmaßnahmen die Kapitalrendite.
Der Niedrig-Zins und seine Folgen
Der Autor geht davon aus, dass das hohe Zinsniveau nicht nur die soziale Schere auseinander gehen lässt, sondern die wirtschaftliche Entwicklung nachteilig beeinflusst. Angesichts der
geringen Eigenkapitalquote der Unternehmen, zwingen die hohen Kreditkosten zu massiver Rationalisierung. Ebenso hemmen sie Investitionsbereitschaft und belasten die verschuldeten Staatskassen.
Popps Lösungsansatz ist die Einführung einer "Geldgebühr", die Bargeldvermögen, Girokonten und kurzfristige Anlagen finanziell belastet und allein langfristige Geldanlagen lukrativ werden
lässt. Hierdurch werde Kapital zu langfristigen und nachhaltigen Investitionen gezwungen und der Zins gering gehalten.
Durch diesen radikalen Schritt würden für die Wirtschaft wie auch den Staat neue Handlungsspielräume eröffnet. Steuern könnten gesenkt, die Innovationsfähigkeit gestärkt und die
Arbeitslosigkeit massiv gesenkt werden. Subventionen würden angesichts verringerter Zinskosten obsolet und Monopolisierungstendenzen entgegengewirkt werden in einer somit wirklich freien
Marktwirtschaft.
Die Probleme der Reform
Zu bedenken gibt der Autor jedoch, dass dieser Weg auch eine Bodenreform notwendig machen würde, da sonst die Summen, die heute in die Geldspekulationen fließen, die Bodenspekulationen
anheizen würden. Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, werde eine schrittweise Überführung von Grundbesitz in Allgemeingut erfolgen müssen. Ob dieser Schritt jedoch angesichts zu erwartender
massiver Gegenreaktionen durchsetzbar ist, bleibt ebenso wie auch jene "Geldgebühr" mehr als fraglich. Zwar gelingt Popp im vorliegenden Buch eine ambitionierte Darstellung seiner Konzeption,
dennoch erscheint eine Verwirklichung seiner Überlegung umso schwieriger. Er blendet die internationale Dimension seines Vorhabens aus und verkennt die Schwierigkeiten eines nationalen Alleingangs.
Selbst auf europäischer Ebene durchgesetzt, wäre eine Kapitalflucht etwa in den florierenden ostasiatischen Wirtschaftsraum mit höheren Renditemöglichkeiten kaum zu vermeiden.
Nichtsdestotrotz bietet das Buch dem interessierten Leser einen anregend neuen Betrachtungswinkel auf die Problemlage unserer Wirtschaft und bereichert die Diskussion durch seinen
unkonventionellen Ansatz.
Ulf Lindner
Klaus Popp: Das Märchen vom guten Zins. Auswege aufzeigen, Krisen verhindern mit Fairconomy, Signum Verlag, München 2006,180 Seiten, 19,90 €. ISBN: 3-7766-8005-9
0
Kommentare
Noch keine Kommentare