Kultur

Das Inferno in den Köpfen

Alle Jahre wieder steht das öffentliche Erinnern an die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg im Zeichen des Protests gegen Rechts. Der Dokumentarfilm „Come Together. Dresden und der 13. Februar“ erzählt vom schwierigen Umgang mit den Wunden der Geschichte.
von ohne Autor · 16. Januar 2015
Protest gegen rechte Geschichtsklitterer hat in Dresden viele Gesichter.
Protest gegen rechte Geschichtsklitterer hat in Dresden viele Gesichter.

„Am Abend dieses 13. Februar brach die Katastrophe über Dresden herein: Die Bomben fielen, die Häuser stürzten, der Phosphor strömte, die brennenden Balken krachten auf arische und nichtarische Köpfe...“  So lakonisch beschrieb Victor Klemperer in seinem Tagebuch den Auftakt jener Angriffswelle vor fast 70 Jahren, die aus Elbflorenz eine Trümmerwüste machte. Rund 25.000 Menschen fanden den Tod. Es liegt in der Natur der Sache, dass öffentliches Erinnern an diese Attacke schwerlich von Gleichmut geprägt sein kann. Doch die Art und Weise, wie in der sächsischen Landeshauptstadt bis heute um ein angemessenes Gedenken gerungen wird, ist beispiellos – ob zwischen Bürgerbündnissen, im Stadtrat oder im Landtag.

Dass der jährliche „Gedenkmarsch“ von Neonazis die angeblich größte Parade brauner Gesinnungsgenossen Europas mit einer entsprechenden Anzahl von Gegendemonstranten nach sich zieht, macht die Sache nicht einfacher.

Der Dokumentarfilm „Come Together. Dresden und der 13. Februar“ führt mitten hinein in den Strudel aus Mythen, Agitation und Erinnerungen. Die Regisseurin und Drehbuchautorin Barbara Lubich widmet sich aber auch den vielfältigen Versuchen, aus dem Schicksals Dresdens Lehren für die Gegenwart zu ziehen. Was wiederum untrennbar mit den alljährlichen Großdemos verbunden ist.

Politisch aufgeladen

Insofern ist es ein großes Verdienst, dass der Film Ordnung in eine von überregionalen Medien häufig schlaglicht- und reflexartig berichtete Materie bringt, ohne die Beteiligten –  im positiven wie im negativen Sinne – in irgendeine Ecke zu stellen. Eines wird immer wieder, mitunter auf bedrückende Weise, deutlich: Die Frage, ob und wie die Stadt durch das Erinnern an das Inferno im Februar 1945 zu sich selbst finden kann, ist nicht nur emotional und politisch höchst aufgeladen, sondern auch ein weites Feld, auf dem die Fronten zwischen den zahllosen Initiativen und Parteien, die sich der Sache angenommen haben – zum Beispiel in der Arbeitsgemeinschaft Dresden und der 13.Februar –  nicht immer klar zu erkennen sind.

Lubich verfolgt die Problematik bis zu ihren Ursprüngen. Unmittelbar nach dem Bombardement begann die propagandistische Ausbeutung durch das NS-Regime, um die Bevölkerung auf den Endkampf gegen, wie es seinerzeit aus den Radios keifte, unmenschliche Feinde einzuschwören. Ähnliche Töne schlug die SED ein, die kurz nach Kriegsende in den „Mördern von Dresden die Kriegstreiber von heute“ sah – so stand es auf einem Transparent mitten im Ruinenmeer der Altstadt. Anfang der 80er-Jahre nahmen regimeferne Friedensaktivisten die Zerstörung Dresdens, symbolisiert in der Ruine der Frauenkirche, zum Anlass, ein Zeichen gegen das Wettrüsten zu setzen. Nach der Wende diente die Metropole Neonazis als Kulisse, um alljährlich am 13. Februar Revanchismus und Chauvinismus zu verbreiten. Ein breites Bündnis von Parteien, Gewerkschaften, Initiativen und Bürgern stellt sich ihnen mittlerweile entgegen. Zur Menschenkette um die Altstadt wird in diesem Jahr auch Bundespräsident Joachim Gauck erwartet.

Doch bis dahin war es ein weiter Weg. Die langjährige Friedensaktivistin und DDR-Oppositionelle Johanna Kalex berichtet, wie ihr kleiner Kreis rasch von der Kirche vereinnahmt wurde und ins Visier der Stasi geriet. Ihnen ging es auch darum, das „stille Gedenken“ des bürgerlichen Mainstreams in ein aktives Engagement für die Gegenwart umzumünzen.

Unter Schmerzen

Dass sich viele Dresdner genau damit auch nach 1989 schwer taten (und bis heute tun), ruft Grit Hanneworth vom Kulturbüro Sachsen, der angesehenen Beratungsstelle gegen Rechts im Freistaat, ins Gedächtnis. Ihr bereitet es förmlich Schmerzen, wenn sich Bürger angesichts der wiederkehrenden Aufmärsche und Proteste weniger um ein friedliches Zusammenleben in der Stadt als um deren Bild im Rest des Landes sorgen. Zu erleben ist dies bei einer Sitzung jener AG 13. Februar. Der Moment, als die in diesem Gremium über angemessene Protestformen und das Bild Dresdens von sich selbst streiten, zählt zu den spannenden Stellen des Films.

Dieser ist indes alles andere als auf Krawall gebürstet: Angesichts all dieses Konfliktstoffs nimmt sich die Erzählweise erstaunlich zurück. Mit wissenschaftlicher Akribie sammelte Lubich Stimmen und Perspektiven, die menschlich wie politisch ein denkbar facettenreiches Mosaik ergeben. Mag es auch schwer zu ertragen sein, wenn sich ein früherer NPD-Landtagsabgeordneter und ein Mitglied des rechtsextremen „Aktionsbündnisses gegen das Vergessen“ in diesem um maximale Objektivität bemühten Rahmen unkommentiert auslassen dürfen. Nicht nur, aber gerade, weil es die Politik ihrer Vordenker war, die Dresdens Schicksal besiegelt hat. Umso erfreulicher sind die kleinen, von leisem Humor getragenen Anekdoten, die zeigen, wie kreativ und ungerührt Menschen mitunter vorgehen, um sich den Nazis von heute entgegenzustellen.

Info: www.come-together-der-film.de
Come Together. Dresden und der 13. Februar (Deutschland 2012), Buch und Regie: Barbara Lubich, 94 Minuten, Sprache: Deutsch (mit englischen und französischen Untertiteln). Ab sofort auf DVD erhältlich

 

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