Kultur

Das heikle Thema

von Die Redaktion · 4. Juni 2007

Wo das Artikulieren der Erfahrungen von Leid und Verlust vergangener Zeiten die Ängste anderer Menschen wachruft, die ebenfalls Leid und Verlust erfahren haben, ist sorgsames Vorgehen angezeigt. Das macht das Thema heikel, weil politisch instrumentalisierbar. Die Rede ist von den Flüchtlingsdramen, die mit dem Ende des zweiten Weltkrieges einhergingen und die in der Gegenwart häufiger thematisiert werden. Auch der Autor des vorliegenden Buches macht solch ein Flüchtlingsdrama zum Gegenstand seines Buches.

Er erzählt die Geschichte des Rainer Schmidtke von der Zeit an, als dieser zwei Jahre alt ist. Da nämlich muss seine Mutter mit ihm und dem nur wenig älteren Bruder Günter aus den ehemals deutschen Gebieten Polens fliehen. Die Dorfbevölkerung macht sich auf den Weg. Zurück bleiben die, die sich der Flucht nicht mehr gewachsen fühlen, wie die Großmutter von Rainer und Günter.

Unterwegs wird Günter von einem polnischen Soldaten erschossen. Die Tante der Jungen wird danach zeitweise fast verrückt. Rainers couragierte Mutter muss sich trotz des eigenen Schmerzes noch zusätzlich um sie und ihre beiden kleinen Töchter kümmern. Der zusammen mit der Dorfbevölkerung geflohene Dorfgeistliche vermag ihren Kummer kaum zu lindern. Das einzige was hilft weiterzuleben, ist der Zusammenhalt der Flüchtlinge.

Nach Ende des Krieges kommen Mutter und Sohn in einem fremden Ort bei einer Bauernfamilie unter. Rainers Mutter wird als billige Arbeitskraft ausgebeutet. Er selbst von dem Bauern schikaniert, denn diesen wurmt es, selbst "nur Töchter" zu haben. Doch finden sie bei anderen Bewohnern ihrer neuen Heimat Hilfe und schließlich eine neue Unterkunft.

Frau Schmidtke wird anerkannt. Sie ist mutig (sie beschwert sich bei einem englischen Offizier, als Piloten jetzt noch einfach so aus der Luft auf sie und ihren Jungen schießen). Und sie versteht viel von der Landwirtschaft. Bald kehrt der Vater des Jungen aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurück.

Schön sind die dialektgefärbten sprachlichen Einsprengsel, die aus der sprachlichen Gestaltung herausragen. Und schön ist, dass der Autor über dem geschilderten Leid dessen Ursachen nicht aus dem Blick verliert - so neuen Revanchisten keine Nahrung gibt.

Dorle Gelbhaar



Klaus Templin "Unterwegs auf unwegsamen Pfaden", Rhombos-Verlag Berlin 2006, 392 Seiten, 21,80 €, ISBN 978-3-938807-27-9

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