Kultur

Das Gesetz Allahs

von Dagmar Günther · 10. Oktober 2007

Anhand zahlreicher Belege aus Koran und Sunna zeigt die Sozialwissenschaftlerin und freie Autorin Hiltrud Schröter auf, wie sehr sich die im Islam vermittelten Vorstellungen von Geschlechterordnung und Menschenrechten vom heutigen westlichen Wertekanon unterscheiden. Dabei betont sie den Grundsatz der Verschiedenheit der Geschlechter und den Aufruf bzw. die Legitimation zur - wenn nötig auch gewalttätigen - Missionierung Andersgläubiger im Islam. Mit dessen Bezeichnung als "drittes totalitäres System" warnt Schröter eindringlich vor dem Islam als politischer Religion mit Expansionsanspruch.

Warnende Kritik

Selbst Terroranschläge fundamentalistischer Selbstmordattentäter sieht sie in den Texten von Koran und Sunna legitimiert. Die Einschränkung des Tötungsverbots, Blutrache, körperliche Strafen und nicht zuletzt die ambivalente Rolle des Propheten Mohammed und von Allah selbst - der sich im Koran nicht nur als liebender Gott, sondern auch als strafende, irreleitende und willkürliche Allmacht präsentiere - bildeten eine theoretische Basis für gewaltbereite Islamisten.

Den Schwerpunkt ihrer Islamkritik legt Schröter jedoch auf die Geschlechterrollen und die damit verbundene Benachteiligung muslimischer Frauen. Dabei führt sie die Verdrängung der Frau aus der öffentlichen Sphäre ebenso wie Ehrenmorde, Zwangsheirat, Gewalt und Verge-waltigung in der Ehe auf dem Islam immanente patriarchalische Vorstellungen vom Zusam-menleben der Geschlechter zurück. Koran und Sunna zeichneten Frauen nicht als eigenstän-dige Personen, sondern lediglich als passive sexuelle Objekte. Mittels ihres männlichen "Ge-schlechtsvormunds" würden muslimische Frauen zur Keuschheit vor der Ehe und später zu sexueller Hingabe gegenüber ihrem Ehemann verpflichtet. Einen klaren Beleg für dieses Bild der Frau als jungfräuliche, sexuelle Dienerin des Mannes sieht Schröter in der Vorstellung, dass 70 mal 70 stets verfügbare Jungfrauen jeden Mann im islamischen Paradies erwarten. Das Tragen von Schleiern, Burkas oder Kopftüchern hingegen sei nicht eindeutig durch den Koran vorgeschrieben.

Kein schlüssiger Beweis

Doch so kenntnisreich Schröters Analyse zahlreicher textlicher Belege aus Koran und Sunna auch sein mag, als Beweis für die Unvereinbarkeit des Islam mit Geschlechtergerechtigkeit und Menschenrechten im Gegensatz zum Christentum erscheint sie ungeeignet. Betrachtet man die Geschichte des Christentums, so fällt auf, dass auch dieses über Jahrhunderte hinweg von Frauenunterdrückung, Expansionsstreben und Menschenrechtsverletzungen gekennzeich-net war. Man denke nur an die Rolle der Kirche im Mittelalter oder den bis ins 20. Jahrhun-dert hineinreichenden Kolonialismus. Geht man nun wie Schröter davon aus, dass sich das Christentum bereits mit Jesus und dem Neuen Testament einer gerechteren Weltordnung ver-schrieben habe, so steht dies in klarem Widerspruch zu der von ihr angenommenen hohen Relevanz der konkreten Textinhalte.

Historisch gesehen scheinen Frauenunterdrückung und Menschenrechtsverletzungen also kei-nesfalls in einem so engen Zusammenhang mit den textlichen Grundlagen einer Religion zu stehen, wie von der Islamkritikerin angenommen. Schröters Versuch, eine Unvereinbarkeit von Islam, Menschenrechten und Geschlechtergerechtigkeit durch Zitate aus Koran und Sun-na zu belegen, kann deshalb nicht zum Erfolg führen.

Tobias Quast

Hiltrud Schröter: Das Gesetz Allahs. Menschenrechte, Geschlecht, Islam und Christentum; Ulrike Helmer Verlag, Königstein/Taunus, 2007; 19,90 Euro; ISBN 978-3-89741-221-7

Autor*in
Dagmar Günther

war bis Juni 2022 Chefin vom Dienst des vorwärts.

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