Kultur

Darf man das? Über Hitler Lachen?

von Susanne Dohrn · 30. November 2006
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Hitler ist impotent, ein Bettnässer, wird von Alpträumen geplagt. Er leidet darunter, als Kind von seinem Vater verprügelt worden zu sein. Was ist damit gewonnen, wenn man ihn als gequälte Kreatur darstellt?

Ich frage zurück: Was ist gewonnen, wenn man ihn nicht als das darstellt, was er war?



Wo bleibt der Schrecken?


Der Schrecken ist doch da! Die Zuschauer bringen den mit ins Kino. Die Nazis reden von Endlösung, von Vergasung, von

Vernichtung. Im Sinne der Komödie wird alles ausgesprochen, was sie in Wirklichkeit auch getan haben. Das moralische Pflichtprogramm bewirkt doch nur eine ehrfürchtige, von Grauen durchsetzte Erstarrung.

Was würde passieren, wenn man den Film Neonazis zeigte?

Der Film unterläuft alle emotionalen Elemente des Nationalsozialismus. Er zerstört alles, was nach Größe aussieht - im Gegensatz zu etlichen Dokumentar- oder Spielfilmen der letzten Jahre, die immer wieder diese Größe, wenn auch mit Abscheu gewürdigt, haben.



Hitler ist heikel. Hatten Sie keine Angst, den falschen Ton zu treffen?


Doch, das hatte ich. Ich hatte immer wieder viele Zweifel, ich habe viel diskutiert mit Freunden, mit meiner Mutter, die jetzt bald 80 Jahre alt wird und den Nationalsozialismus in Berlin als Jüdin miterlebt hat bis 1939. Ich habe den Film gemacht, weil ich ein neues Feuer in die Diskussion bringen will. Wie jemand wie Adolf Hitler und Joseph Goebbels ein ganzes Volk zu diesen Taten hat aufrufen können, das sind die Diskussionen, die mich interessieren.



Eine Komödie ist lustig. Ehrlich gesagt fand ich den Trailer, der derzeit in den Kinos läuft, komischer als den Film...


... Für mich ist eine Komödie immer auch tragisch. Sie entsteht im Schmerz, in einer existentiellen Not. Ich finde, der Film hat einen sehr jüdischen Ansatz. Das hat mit Tragik-Komik zu tun, damit das Unvereinbare, das Widersprüchliche zusammenzubringen und dadurch Spannung herzustellen.



Sie konzentrieren sich sehr auf die psychologische Dimension. Warum?


Ich betrachte einen speziellen Aspekt des Nationalsozialismus und seiner Ursachen, von dem ich glaube, dass der interessant ist. Die "schwarze Pädagogik" als Erfahrungsbasis dieser Zeit. Hitler als verwahrloste Persönlichkeit mit seiner verkümmerten Seele hat als Projektionsfigur der Deutschen großartig funktioniert. Was er verkörperte, hat seinen Widerhall gefunden in den Sehnsüchten und Bedürfnissen des deutschen Volkes. Das ist doch das Erschreckende. Mich als Jude interessiert die Frage: Was war die psychologische, die pädagogische, die moralische Konstellation, die das ermöglicht hat?

Adolf Grünbaum, Jude und direkt aus dem KZ angeheuert, um Hitler für eine wichtige Rede fit zu machen, ist einmal kurz davor, ihn umzubringen. Warum schont er ihn?

Er ist Humanist. Er kann es nicht. Obwohl er weiß, dass Hitler ein Massenmörder ist.

Hätte er ihn umbringen müssen?

Natürlich. Das kann man 2006 aus einem geheizten Büro leicht sagen. Aber in dem Moment, in dem er die Chance dazu hat, kann er aus Mitleid nicht zuschlagen. Zudem weiß Grünbaum, dass er dann seine Familie opfert.

Und Grünbaum würde die Werte übernehmen, die er ablehnt ...

... ich finde diese moralischen Fragen wichtig. Ich finde es spannend für ein Publikum, dass sie es mit einem Adolf Hitler zu tun haben, der nicht wie gewohnt dämonisiert wird, sondern ihnen als erbärmliche Figur so nah kommt, dass sie wie Grünbaum in Gewissenskonflikte kommen.



Sie haben im Innenhof des Finanzministeriums gedreht. Wie fand es der Finanzminister, dass Görings Fahnen in seinem Ministerium wehten?


Mit ihm persönlich habe ich nicht gesprochen, aber ich finde es eine mutige und aufgeklärte Entscheidung, dass es möglich war.

Interview Susanne Dohrn

Mein Führer, Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler, Regie: Dani Levy. Mit: Helge Schneider als Hitler, Ulrich Mühe als Adolf Grünbaum und und als Sylvester Groth als Dr. Josef Goebbels, Katja Riemann als Eva Braun u.v.a.

Kinostart: 4. Januar 2007

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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