Kultur

Christbaum-Kino

von André Weikard · 1. Dezember 2010
placeholder

An Weihnachten, da sind die Dinge anders. Da ist ein Stern kein Stern, sondern ein Wegweiser. Da ist ein Bettler kein Ärgernis, sondern einer, dam man einen Teller Suppe spendiert und da ist ein Mensch kein Fremder mehr, sondern der Nächste. Das lehren alle Weihnachtsmärchen. Warum soll Bent Hamer es anders machen? Der Norweger, den man seit "Kitchen Stories" und "O'Horten" auch in Deutschland kennt, erzählt vom Arzt Knut (Fridjov Såheim), der mitten in der Nacht in eine Hüte im Wald fahren muss, um bei einer Geburt zu helfen. Die Mama liegt zwar nicht im Stroh und an der Tür klopft gewiss keiner, der Gold und Weihrauch vorbei bringt, aber auf der Flucht sind die beiden Eltern schon. Er Serbe, sie Albanerin, sind sie mit dem Auto liegen geblieben, auf ihrem Weg zu Verwanden in Schweden.

Das Zugticket erbetteln

Derweil hockt der Obdachlose Jordan (Reidar Sørensen) in der verlassenen Fußgängerzone, um sich das Geld für ein Zugticket zusammen zu betteln. Die Lichter der Weihnachtsbeleuchtung gehen schon aus, Jordan starrt auf eine Schaufensterpuppe im Fußballtrikot. Währenddessen wird andernorts der Tisch gedeckt. Zwei Alte warten auf ihren Sohn, der hier in Skogli mal ein großer Fußballer war.

Kristen (Tomas Norström) schläft noch rasch mit seiner Geliebten Karin (Nina Andresen-Borud) bevor er mit seiner Frau zur Messe geht. Doch diesmal lässt Karin sich nicht abschieben, diesmal folgt sie ihm, nimmt links von ihm auf der Kirchenbank Platz, da, wo rechts von ihmauch seine Frau sitzt. Beide Frauen tragen das gleiche rote Halstuch, ein Geschenk.

Den Nebenbuhler aus dem Weg räumen

Hartnäckig ist auch Paul (Trond Fausa Aurvåg). Der hat seit Wochen seine Kinder nicht mehr gesehen, lauert in der Scheune vor seinem Haus, erledigt kurzerhand den neuen Freund seiner Ex mit der Schippe und schleicht sich im Nikolaus-Kostüm nach drinnen, wo er nicht nur die Geschenke abliefert, sondern sich auch noch einen belobigenden Kuss abholt.

In Bent Hamers Miniaturen ist alles magisch, alles möglich. Es geht um Menschen, die aufeinander warten, die einander nicht gehen lassen wollen oder die auf dem Weg zueinander sind. Manche von ihnen kommen an, andere nicht. Es sind kleine Szenen, Geschichtchen voller Anteilnahme von Verliebten, die einander die Hände halten und in den Himmel schauen, von Frierenden, die hereingebeten werden, weil draußen der Wind geht und von Größzügigen, die ihr Auto denen leihen, die es nötiger haben und selbst zu Fuß nachhause gehen, während die großen Schneepflügen vorüber fahren. Und manchmal, da hält einer von ihnen an und nimmt den verfrorenen Mann mit. Rührselig? Kitschig? Sehr!

Am Weinglas nippen

Das ist noch immer karges Skandinavierkino mit wenigen Menschen, die auch mal eine Weile stumm sind, an ihren Weingläsern nippen und verlegen zu Boden schauen. Dem deutschen Verleih war das womöglich zu betulich. Elf Minuten kürzer ist die hiesige Fassung als das Original.

Am Ende ist aber auch Bent Hamer dem Weihnachtsdogma von der großen Versöhnung erlegen. Bemüht ist das schon, wenn da noch alle Fäden zusammen geknotet werden müssen, wenn da irgendwie noch alles gut ausgehen muss. Hier soll keiner aus dem Kino entlassen werden, ohne dass er ein wärmendes Gefühl mit auf den Weg bekommen hat, mit nachhause, wo er sich mit den gebrannten Mandeln vom Weihnachtsmarkt in die wohlige Ecke kuscheln kann, um auf die Feiertage zu warten - oder auf einen Anruf.



Home for Christmas, Regie: Bent Hamer, NOR/SWE/GER 2010, 79 min, Kinostart: 2.12.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare