„Bürgerliche Scharfmacher“: Was gegen Rechtspopulismus hilft
Ben Kilb
Fremdenfeindliche Parolen am Tag der Deutschen Einheit, AfD-Wahlerfolge und das zweijährige Jubiläum von Pegida: Rechtspopulismus und -extremismus sind in der Bundesrepublik gesellschaftsfähig geworden. Welche Antworten und Lösungsansätze haben Politik und Gesellschaft? Ist Dialog überhaupt noch möglich?
Wenig zivilgesellschaftlicher Protest
Diese Fragen diskutierten am „vorwärts“-Stand auf der Buchmesse der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner und der Journalist Andreas Speit, der mit „Bürgerliche Scharfmacher“ eine detaillierte Analyse der neuen rechten Bewegungen in Deutschland vorgelegt hat. Beim Thema Pegida beunruhigt Speit nicht nur, dass zwei Jahre nach Beginn der Bewegung immer noch tausende von Leuten gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ auf die Straße gehen – sondern, dass es so wenig zivilgesellschaftlichen Protest dagegen gibt: „In dieser ganzen Zeit ist der Gegenprotest nicht gewachsen, er ist eher kleiner geworden.“ In der Mitte der Gesellschaft gäbe es keine Bereitschaft, sich mit dem Thema AfD, Pegida und Co auseinanderzusetzen und sich zu fragen, ob man selbst nicht vielleicht auch einige der Positionen teilt.
Für Ralf Stegner, der sich in den sozialen Medien regelmäßig mit AfD- und Pegida-Anhängern anlegt, steht fest: „Die Sozialdemokratie muss als Alternative zur Union wahrgenommen werden, nicht als nette Version der Union.“ Die These der Rechtspopulisten sei, dass „da oben“ alle gleich seien. Die Politik müsse für mehr Unterscheidbarkeit der Parteien untereinander sorgen und auch eine klarere Sprache im Umgang mit Rechtspopulisten und -extremisten finden: „Manche in der Politik sind zu vornehm, wenn es um die Sprache geht. Das ist ja der Grund, weshalb eine Minderheit oft als Mehrheit wirkt: Sie ist einfach lauter und schriller.“
Erfolgreiches Agenda-Setting durch die AfD
Manchmal aber auch nicht: Ein Teil der AfD gibt sich durchaus moderat und kommunikativ. Speit als Journalisten erschüttert das, er spricht von einer „Kulturrevolution von rechts“. Sobald gewisse Aussagen aus einem anderen, nichts rechtsextremen Milieu kämen, würde man zuhören – dabei seien die Aussagen selbst dadurch nicht weniger extrem. Was die AfD sehr erfolgreich betrieben habe, so Speit, sei Agenda Setting: „Wir haben in Deutschland eine panische Debatte im Schatten der AfD.“
Was bleibt also? Ralf Stegner sieht jede Menge „Arbeitsaufträge für die deutsche Sozialdemokratie“: Viele Menschen würden sich abgehängt fühlen, da müsse die Politik eingreifen und gegensteuern. Andreas Speit ist weniger optimistisch: Mit manchen Menschen sei schlicht kein politischer Dialog mehr möglich. Hier müsse man inhaltlich einfach klar dagegenhalten.
Andreas Speit: Bürgerliche Scharfmacher, orell füssli, ISBN 978-3-280-05632-5, 19,95 Euro, zu bestellen u.a. in der vorwärts-Buchhandlung