Kultur

Blienert: „Der deutsche Film ist stark und soll es bleiben“

Was hat Politik mit Film zu tun? Zum Start der Berlinale am heutigen Donnerstag spricht Burkhard Blienert, der filmpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, über die Filmförderung, eine Reform des Urheberrechts und Gleichberechtigung in der Branche.
von Birgit Güll · 5. Februar 2015

vorwärts.de: Burkhard Blienert, haben Sie einen Berlinale-Tipp? Welchen Film sollte man unbedingt sehen?

Ich freue mich auf „Als wir träumten“, den neuen Film von Andreas Dresen. Da bin ich gespannt wie er die Problematik – eine Jungs-Clique im Leipzig der Nachwendezeit – umsetzt. Und ich freue mich auf den toll besetzen Film „Knight of Cups“ von Regisseur Terrence Malick, mit Natalie Portman und Christian Bale. Eigentlich sind alle Filme, die auf der Berlinale im Wettbewerb gezeigt werden, sehenswert.

Abseits des roten Berlinale-Teppichs geht es um Geld. Der Deutsche Filmförderfonds (DFFF) wurde von 60 Millionen Euro im letzten Jahr auf 50 Millionen gekürzt. Wird die deutsche Filmindustrie sich ohne dieses Geld weiter gut entwickeln?

Die deutsche Filmindustrie ist stark, das belegen auch die Zuschauerzahlen. Die Kürzung beim DFFF ist nicht schön, aber ich bin froh, dass wir eine Verstetigung haben, auf 50 Millionen Euro im Jahr. Damit hat die Branche zum ersten Mal Planungssicherheit. Und weil der DFFF so ein wichtiges Instrument ist, hat Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister zugesagt, zehn Millionen aus seinem Etat dazuzulegen. Damit fördern wir den deutschen Film im kommenden Jahr nochmal besonders.

Die deutsche, beziehungsweise die europäische Filmförderung insgesamt hat bisher eine völlige Dominanz Hollywoods verhindert. Wird sich das im Rahmen des Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP ändern? Werden die USA ihre Interessen durchsetzen?

Wir haben sehr deutlich gesagt: Der audiovisuelle Bereich soll aus dem Freihandelsabkommen ausgeklammert werden. Ich gehe davon aus, dass weiterhin eine europäische und auch eine nationale Filmförderung möglich sein werden. Die brauchen wir und wir müssen unsere Förderinstrumente weiterentwickeln. Auf der anderen Seite verhindern wir eine Hollywood-Dominanz mit guten Drehbüchern. Daraus entstehen gute Filme und die ziehen Zuschauer an.

Der deutsche Film muss sich also keine Sorgen machen?

Wenn wir weiterhin einen guten deutschen Film haben wollen, brauchen wir aber auch gute Produktionsbedingungen im Land. Unsere Förderung muss Standorte halten, Babelsberg an erster Stelle. Ohne gute Produktionsbedingungen können wir gute Drehbücher nicht umsetzen. Wir haben das Know-how und gute Drehmöglichkeiten in Deutschland und müssen dafür sorgen, dass das so bleibt.

Ein wichtiger Teil der Filmförderung ist die Erhebung der Filmabgabe. Sie muss von allen bezahlt werden, die finanziell von Kinofilmen profitieren, etwa von Kinobetreibern. Durch die Digitalisierung gibt es neue Profiteure – zum Beispiel Video-on-Demand-Anbieter – wie können auch sie an der Filmförderung beteiligt werden?

In Deutschland sind diese Anbieter schon vom Filmfördergesetz (FFG) erfasst, das wird oft übersehen. Aber auch Video-on-Demand-Anbieter die ihren Firmensitz im Ausland haben, sollen die Abgabe zahlen. Allerdings wurde unser deutsches Vorhaben in Brüssel gestoppt, ein Prüfverfahren wurde eingeleitet. Da müssen wir nochmal daran arbeiten. Im Rahmen der FFG-Novelle werden wir grundsätzlich über die Finanzierung reden müssen, damit das FFG auf einer stabilen Basis steht.

Wird es gelingen, die Video-on-Demand-Anbieter mit Sitz im Ausland zur Zahlung der Filmabgabe zu verpflichten?

Ich gehe davon aus, dass das möglich wird. Alles andere wäre nicht im Interesse eines gemeinsamen europäischen Vorgehens. Damit niemand vor Abgaben fliehen kann, ist es wichtig auch im Ausland Handlungsmöglichkeiten zu haben.

Kommen wir zum Urheberrecht. In Zeiten der Digitalisierung ist das auch in der Filmbranche ein wichtiges Thema. Es geht einerseits um die Verwertung von Filmen auf legalen Online-Portalen und andererseits um den Schutz vor Raubkopien und illegaler Verbreitung. Welche Reformen sind nötig, um die Urheber künftig besser zu schützen?

Unser Justizminister Heiko Maas weiß, dass wir dringend handeln müssen. Er steckt bereits in Diskussionen mit den Beteiligten. Es sind verschiedene Schritte notwendig, um Urheber zu schützen. Wir müssen das Urhebervertragsrecht so fassen, dass Urheber künftig auf Augenhöhe mit Verwertern verhandeln und eine faire Vergütung durchsetzen können. Und wir müssen gegen Plattformen die illegal Filme verbreiten vorgehen, da ist noch nicht genug passiert. Es darf nicht sein, dass seriöse Unternehmen auf illegalen Plattformen Werbung schalten und damit Legalität suggerieren und den Verbraucher in ein sicheres Gefühl hüllen. Diese illegalen Plattformen müssen wir austrocknen.

Wann wird es konkrete Ergebnisse aus dem Justizministerium geben?

Heiko Maas hat zugesichert noch in dieser Legislaturperiode das Urheberrecht zu reformieren. Unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung ist da leider gar nichts passiert.

Die Vereinigung „Pro Quote Regie“ hat auf die fehlende Gleichberechtigung im Filmbereich aufmerksam gemacht: 2013 wurden von den insgesamt 115 DFFF-geförderten Filmen gerade mal 13 von Regisseurinnen umgesetzt. Welche politischen Schritte sind nötig, um so schell wie möglich für Gleichberechtigung zu sorgen?

Ich bin „Pro Quote Regie“ dankbar, dass sie Aufmerksamkeit auf das Problem gelenkt hat. Jetzt müssen wir mehr über die Ursachen wissen. Wie kann es sein, dass 42 Prozent derer die ein Regiediplom machen Frauen sind, aber nur 15 Prozent aller deutschen Kino- und Fernsehfilme von Frauen gemacht werden? Hat es mit den Arbeitsbedingungen zu tun? Müssen wir die verbessern oder sind andere Strukturen hinderlich für Frauen? Die Ursachenforschung ist der erste Schritt. Die Lösung des Problems wird Politik nicht alleine erreichen können. Wir müssen mit allen Sektoren des Filmbereichs zusammenarbeiten. Im Bereich der Öffentlich-Rechtlichen und der Förderung liegt natürlich eine besondere Verantwortung

Kommen wir nochmal zu den Arbeitsbedingungen. Faire Löhne und soziale Absicherung sind in der Filmbrache keine Selbstverständlichkeit, auch bei öffentlich geförderten Filmen. Wie kann sichergestellt werden, dass soziale Mindeststandards eingehalten werden?

Im Zuge der Novellierung des FFG müssen wir Mindeststandards in den Förderrichtlinien festschreiben. Es muss klar erkennbar sein: Wir fördern Produktionen mit guten Arbeitsbedingungen – und damit letztlich gute Arbeit. Bei internationalen Koproduktionen ist das schwieriger. Da können wir das nicht so direkt umsetzen. Aber es gibt Rahmenvereinbarungen, vieles hat sich verbessert. Die Produzenten haben den Filmschaffenden gegenüber auch eine soziale Verantwortung. Wir als Politik können es unterstützen, dass die Partner zu guten und langfristigen Ergebnissen kommen, die der Branche auch gerecht werden.

 

 

 

Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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