Basti (Sebastian Bezzel) ist ein „Sandler“ und „Gratler“. Jemand, der schlitzohrig durchs Leben läuft, sich selbst und die Wahrheit nicht immer zu ernst nimmt. Der Rikscha-Unternehmer erzählt arabischen Kunden auf einer Stadttour schon mal brüh warm, dass Hitler, König Ludwig II, und Papst Benedikt „gemeinsame Sache“ vor der Feldherrnhalle gemacht hätten.
Er lebt in den Tag hinein. Immer mit wechselnden Frauenbekanntschaften. Genießt die Freiheit. Verhütung ist für ihn kein Thema. Seit einer Mumpserkrankung ist er zeugungsunfähig. Basti scheint der perfekte, ledige Junggeselle sein. Wenig arbeiten, viel Bier und Musik – natürlich Blasmusik, der Film spielt schließlich in München.
Doch dann wird alles anders. Bastis 17-jährige Tochter Dina aus Bitterfeld taucht überraschend auf. Und sie ist nicht alleine. Sie hat ihren Sohn Paul mitgebracht. So wird Basti in Sekunden erst Vater und dann Großvater. Mit der Ruhe ist jetzt natürlich vorbei. Denn Dina will Geld. Mindestens 15 000 Euro. Nicht wenig. Selbst für einen Münchner.
Moderne Familiengeschichte
„Vatertage“ präsentiert ein modernes Familienbild. Die strenge Schwester Thea (Monika Gruber) erzieht Bastis Neffen alleine. Bastis schwuler Vater (Heiner Lauterbach) heiratet seinen deutlich jüngeren, griechischen Liebhaber. Und Dina ist auch nicht mehr mit dem Vater ihres Kindes zusammen.
Natürlich sind moderne Familienformen im Jahre 2012 eine Selbstverständlichkeit, die es im Süden genauso häufig gibt wie im Norden. Und natürlich soll eine Komödie überspitzten, das Komische aus dem Ungewohnten hervorholen. Und doch hat der Film genau hier seine Schwächen. Alles ist so extrem, dass es bald nicht mehr glaubhaft wirkt. Die Vorstellungskraft des Zuschauers überreizt. „Vatertage“ ist „a bisserl viel“, wie der Münchner sagen würde. Die Schwester zu streng oder zu weich, der Vater und sein Liebhaber immer eine Spur zu tuntig, die Vater-Tochter-Konflikte recht vorhersehbar. Es entsteht kein Spielfluss. Alles bleibt eine Reihung mehr oder weniger lustiger Szenen.
Drei Hauptdarsteller
Der Film baut gleich auf drei Hauptdarsteller. An sich nichts Ungewöhnliches, wäre neben Basti und Dina nicht München der dritte Mittelpunkt des Films. „Wir wollten die Stadt von ihrer schönsten Seite zeigen, um klar zu machen, weshalb Basti sich hier so wohl fühlt und an sich zufrieden ist, obwohl er von außen betrachtet nicht viel zustande bringt“, erklärt der Produzent Jakob Claussen.
Tatsächlich spielt „Vatertage“ nicht nur in München, die Stadt ist ein Teil des Films. Neben den bekannten Sehenswürdigkeiten wird der Zuschauer zu schönen, nicht ganz so überlaufenen Stellen der Stadt mitgenommen. Am Eisbach, im Englischen Garten, in der Au. In diesen Momenten ist der Film am stärksten. München im Sommer, da spürt man die Luft Haidhausens und Schwabings. Die Schlussszene spielt dann folglich nicht am Marienplatz, sondern am Wienerplatz. Viele Münchner werden Orte ihres täglichen Lebens erblicken. Man fühlt sich kurzzeitig „dahoam“.
Ein bayerisches Heimatgefühl zu erzeugen, gelingt dem Hauptdarsteller dagegen nur teilweise. Basti ist eine sympathische Figur, ein Hallodri, den man manchmal gerne hat. Auch spricht er einen feineren bayerischen Stadtdialekt, der sich deutlich von einer ländlichen Mundart abhebt. Er sollte auch in Hamburg noch verständlich sein. Doch fehlt es der Figur an Tiefe.
Sebastian Bezzel gebiert keinen zweiten Monaco Franze, wie es Helmut Fischer in den 80ern schaffte. Er spielt einen originell wirkenden Münchner, aber kein Münchner Original. Man liebt diese Figur nicht. Man merkt sich von ihm keine besondere Eigenschaft. Basti hingegen trägt Lederhosen, trinkt gerne Bier und fährt Fahrrad. Das trifft aber zur Wiesenzeit auf mindestens 50% der Münchner zu.
Erfrischend dagegen wirkt Sabine Hovràth in der Rolle der Dina. Ihr nimmt man die innere Anspannung, die Angst vor der Begegnung mit dem unbekannten Vater ab. Wenn sie schreit oder flucht, wirkt das authentisch. Eine junge Mutter, die eigentlich noch zur Schule gehen sollte, die von der neuen Situation überfordert ist. „Keine Lügen mehr“, fordert sie und der Zuschauer nickt im Dunkeln mit.
Vater, Opa oder nichts
Basti, der im Beschaffen der 15 000 Euro grandios scheitert, wird auf eine harte Probe gestellt. Nachdem er sich mit seiner Tochter immer besser versteht, erfährt er von Dinas Mutter in Bitterfeld, dass er gar nicht Dinas leiblicher Vater ist. Der Eklat ist vorprogrammiert. Am Schluss übernimmt Basti Verantwortung, nicht nur für Dina und Paul, die ihn weiter als Vater sehen, sondern auch für das Kind seiner niederländischen Geliebten. Dass auch dieses Kind wieder nicht von ihm ist, stört nicht. Eben alles „a bisserl viel“ in „Vatertage“.
Der Film kann sich trotzdem lohnen. Für Münchener wie „Zugroaßte“.
Die Einheimischen dürfen eindrucksvoll und bilderreich erfahren, wie schön ihr München ist. Leider ist aber die Sprache an vielen Stellen kein Bayerisch mehr, sondern nur noch grammatikalisch schlechtes Deutsch. Oder der Wortschatz wirkt arg limitiert. Basti sagt zum Beispiel zu Paul „Wurm“ statt „Schraz“. In solchen Momenten wünscht man sich den Sebastian aus „Wer früher stirbt, ist länger tot“ zurück. Dessen authentische Sprache die Zuschauer deutschlandweit faszinierte und anrührte.
Für die anderen, die „Fremden“, wird fast kein Klischee über die Stadt und ihre Bewohner ausgelassen. Dirndl, Betrunkene und das P1. Und lachen kann man durchaus in diesem Film. Viele Szenen mit einem schreienden Baby Paul, Windelwechseln, DDR-Witzen und einem joggenden schwulen Pärchen werden geboten. Keine große Kunst, aber gelungene Unterhaltung.
Eines verwirrt aber am meisten: der Name des Filmhelden Basti. Auch wenn die Filmmacher auf bundesweite Verständigung setzen müssen – die Koseform für Sebastian lautet in Bayern wie in München: Wastl oder Bastl!
„Vatertage – Opa über Nacht“; Regie Ingo Rasper. Mit Sebastian Bezzel, Monika Gruber, Heiner Lauterbach. Deutschland 2012