„Bildung, Betreuung und Erziehung vor und neben der Schule“
Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Vorstandsvorsitzender und Direktor des Deutschen Jugendinstituts fordert, Deutschland müsse ein kinderfreundliches Land werden. Zu diesem Zweck gab er wichtige
Anstöße.
Eltern brauchen die öffentliche Unterstützung, um ihren Kindern gute und gesunde Bedingungen des Aufwachsens bieten zu können. Rauschenbach: "Viele Eltern sind durch die flexible Arbeitswelt
und die Mobilität mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert".
Kita´s und Schulen als Familientreffpunkte
Die Bundesregierung will Eltern-Kind-Zentren als Bestandteil der Ganztagsangebote in Kindertagseinrichtungen wie in Schulen ausbauen. Diese Angebote kommen vor allem Kindern aus Familien mit
Migrationshintergrund und Kindern aus bildungsfernen Schichten zu Gute. Notwendig ist seiner Meinung nach ein breites Netz von Einrichtungen, die die frühe Förderung von Kindern mit der Beratung
von Eltern kombinieren. Dabei geht es um Sprachförderung, Erziehungs- und Gesundheitsberatung bis hin zu Haushalts- und Kochkursen. Rauschenbach: "So kann auch die elterliche Erziehungskompetenz
ausgebaut werden". Wichtig ist dabei allerdings, dass das Angebot dieser zu errichtenden Eltern-Kind-Zentren flächendeckend ist.
Bedarfsgerechte und gebührenfreie Kinderbetreuung
Kinder brauchen nach Meinung Rauschenbachs für ihre Entwicklung neben der Familie schon frühzeitig weitere Bildungsgelegenheiten, z. B. Kinderbetreuungsangebote. Notwendig ist daher in
Deutschland der forcierte Ausbau der Kinderbetreuung, da viele der unter 3jährigen keinen Kindergarten besuchen können. Viele Eltern suchen lange oder sogar vergeblich, um ein verlässliches
öffentliches Betreuungsangebot zu finden.
Rauschenbach fordert die Ausdehnung des uneingeschränkten Rechtsanspruchs auf einen Kinderbetreuungsplatz für unter Dreijährige und den Einstieg in die Gebührenfreiheit für Kinderbetreuung.
Denn: die Karten für den Lebensweg werden bereits in den ersten Lebensjahren gemischt.
Gute Karten haben die Kinder, die schon ganz früh in der KITA zum Lernen angeregt werden. Doch die Bedeutung der Kinderzeit für den Lebensweg wurde in Politik und Gesellschaft lange
unterschätzt.
Eltern brauchen die Sicherheit, dass sie einen Betreuungsplatz finden. So gelingt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Kinder selbt brauchen die Möglichkeit einer frühen Förderung
auch außerhalb der Familie, so Rauschenbach. So werden die Kinder, die nicht aus privilegierten Familien kommen, von Anfang an unterstützt. Ferner werden ihnen Bildungs- und
Entwicklungsmöglichkeiten angeboten. Rauschenbach: "Die KITA´s müssen fester Bestandteile einer Bildungslandschaft der Zukunft werden."
Elterngeld als Einkommensersatz
Bildung, Betreuung und Erziehung innerhalb der Familie müssen im ersten Lebensjahr des Kindes öffentlich unterstützt werden. Unzumutbare Einbrüche im Haushaltseinkommen sind nach den Worten
Rauschenbachs zu vermeiden. Eine wichtige Leistung hierfür ist das einjährige Elterngeld. Mit dieser Leistung können Väter und Mütter frei von ökonomischen Zwängen entscheiden, wie sie ihr Kind
betreuen wollen.
Bildung ist mehr Schule - Schule ist mehr als Bildung
Rauschenbach meint, dass alle Kinder und Jugendlichen an Bildungsprozessen gleichberechtigt teilhaben sollen. Auf diese Weise können Armutsrisiken vor allem von allein Erziehenden sowie von
Familien mit Migrationshintergrund verringert werden.
Es ist eine neue Lehr- und Lernkultur mit individueller Förderung, mit mehr sozialen Lernen und innovativen Vermittlungsmethoden anzustreben. Dies bieten nach Auffassung des Professors die
Ganztagsschulen, die auf- und ausgebaut werden sollen. Es darf nicht sein, dass es viele Kinder gibt, die nach Unterrichtsschluss nicht versorgt sind, Kinder, um die sich wegen der elterlichen
Arbeit und wegen des Mangels an Hortplätzen niemand kümmert.
Diese Gesamtschulen stellen nicht die Familie in Frage, sondern sie sind als unterstützendes Angebot gedacht und erweitern Schule um ganz neue Lern- und Bildungsmöglichkeiten. Sie könnte das
Zentrum des öffentlichen Teils einer privaten und öffentlichen lokalen Bildungslandschaft sein.
Stefan Campen
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.