Man könne zwar nicht von einem Überwachungsstaat im Orwellschen Sinne sprechen, beschwichtigt Schaar bei der gemeinsamen Präsentation seines Buches mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble
(CDU) in der Berliner Bertelsmann-Kommandantur. Dennoch verändere sich die Gesellschaft in einer Weise, die Überwachung wesentlich erleichtere. Schaar, seit 2003 Bundesbeauftragter für den
Datenschutz und die Informationsfreiheit, meint damit vor allem die rasante Entwicklung der Informationstechnologien.
Unbewusst hinterließen wir heute in unserem Alltag eine Unmenge digitaler Spuren, sei es durch E-Mails, im Internet, beim Telefonieren oder durch Überwachungskameras. Der zunehmenden
Unbekümmertheit vieler Menschen, ihre persönlichen Daten preiszugeben, stünden wachsende Begehrlichkeiten von Seiten des Staates und der Wirtschaft gegenüber: Unternehmen wie "ebay" oder "amazon"
legten persönliche Datenprofile ihrer Kunden an, um ihre Produkte und Dienstleistungen zielgerechter an den Mann und die Frau bringen zu können. Staatliche Organe trachteten insbesondere nach den
Anschlägen vom 11. September 2001 mit dem Argument der Terrorbekämpfung nach neuen Möglichkeiten der Überwachung der Bürger.
Neue Gefahren für Freiheit und Privatsphäre
Schaar warnt deshalb vor der Tendenz, den Einzelnen als Risikofaktor zu betrachten, der beobachtet, registriert und bewertet werden muss. In der stetig zunehmenden Datenflut erkennt er
zugleich ein wachsendes Missbrauchspotenzial. Wegen Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchungen, Rasterfahndung und den Handel mit persönlichen Daten sieht der Bundesbeauftragte für den
Datenschutz sowohl die Unschuldsvermutung, als auch die Privatsphäre in Gefahr. "Manche Kontrollmaßnahmen bringen nicht mehr Sicherheit, sondern schränken nur die Freiheit ein", wirft Schaar dem
Innenminister vor. Der entgegnet, dass sich der Staat im Kampf gegen Kriminalität und Terror aber auch nicht blind machen dürfe. Der Zugriff auf gewisse persönliche Daten sei nun einmal für die
Erfüllung staatlicher Aufgaben notwendig. Anders als Schaar sieht er die Lösung des Problems deshalb auch nicht darin, die Entstehung solch gewaltiger Datenmengen zu vermeiden. Er setzt vielmehr
auf Schutzmaßnahmen, um deren Missbrauch zu verhindern.
Kampf gegen Windmühlen
Zustimmung erhält Schaar dennoch zumindest in einem Punkt: "Das Buch leistet einen wichtigen Beitrag zur Bildung eines Problembewusstseins in der Gesellschaft", gesteht Schäuble zu. Dem ist
sicher uneingeschränkt zuzustimmen. Die Sensibilisierung der Bevölkerung ist ein zentrales Element in Schaars Strategie, um die Überwachungsgesellschaft zu vermeiden. Verantwortung statt
Kontrolle lautet deshalb das einleuchtende Motto von Schaars überzeugendem Plädoyer für eine globale Ethik im Informationszeitalter. Ob die Strahlkraft seines Amtes und die öffentliche Wirkung
seiner Bücher jedoch entscheidend dazu beitragen können, die von ihm befürchtete weitere Einschränkung der Privatsphäre zu verhindern, mag bezweifelt werden. - Die Zukunft wird es zeigen!
Tobias Quast
Peter Schaar: Das Ende der Privatsphäre. Der Weg in die Überwachungsgesellschaft; C. Bertelsmann Verlag, München, 2007; 14,95 Euro; ISBN 978-3-570-00993-2
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