Vom Cover blickt eine sehr schöne, sympathische Frau: "Shobhaa De" prangt in goldenen Lettern darunter. Der Leser wähnt sich glatt in Bollywood. Doch weit gefehlt. Ihr Leben, das die 50-Jährige in ihrer Autobiografie offenbart, ist alles andere als bollywoodmäßig. Auch wenn sie mit 17 als Model entdeckt wird und zunächst einige Jahre in die Glamourwelt der Promi-Zeitschriften eintaucht - es sind Lehrjahre, die ihr die Augen öffnen. Auf deren Grundlage kann sie später Glanz und Elend der Bollywood-Stars so gekonnt beschreiben. Mit 22 beschließt sie, Journalistin zu werden. Sie gründet drei Zeitschriften: "Stardust"; "Society" und "Celebrity". Ihre Kolumnen, in denen sie sich engagiert für Frauenrechte einsetzt, bewegen die Inder und Inderinnen. Mit ihren Ansichten über starke Frauen und klaren Worten über Sex polarisiert sie die Gesellschaft. Sie ist beliebt und gehasst zugleich. Schließlich scheut sie sich auch nicht, die miesen kleinen Geschäfte der Publicity-Industrie zu beschreiben, Machtgeilheit und Korruption zu entlarven. Die Welt der Geschäftemacher Es geht nicht immer alles gut in ihrem Leben. Als sie z.B. nach drei mühevollen Jahren, diese am Leben zu erhalten, die Zeitschrift "Celebrity" verkaufen muss, erfährt sie am eigenen Leibe, wie Geschäftemacher agieren. Die Welt ist eben nicht Bollywood! Anstelle eines "Ritters in schimmernder Rüstung", so schreibt sie "war es ein Knappe in weißem Khadi, der mit dem Versprechen auf sofortige Blut- (und was noch wichtiger war Geld-)Transfusionen angerückt kam". Angesichts des drohenden Untergangs des Blattes habe sie nicht "hinter die aalglatten Phrasen und das aufgesetzte Lächeln des Knappen" geschaut. Sie glaubte ihm seine Versprechen. Und ging ihm auf dem Leim. Dabei verkörperte er alles, was sie "an kleinen nordindischen Geschäftsleuten verabscheute: ihre schmierigen gewissenlosen Methoden, ihre ungehobelten Umgangsformen, ihren Mangel an guter Kinderstube, ihre bombastischen Worte, ihre ärgerliche Großspurigkeit und, die größte aller Sünden, das Fehlen jeglicher Skrupel. Hinter all dem einschmeichelnden Gerede waren diese Kerle schlampige Opportunisten. Gott weiß, warum der Knappe aufgetaucht ist, um 'Celebrity' zu 'kaufen' (am Ende kam nicht eine Paisa rüber)". Ihre umgeschminkten, ehrlichen Analysen sind es, welche die Autobiografie von Shobhaa De aus anderen herausheben. Hier spricht eine Frau aus, was andere kaum zu denken wagen. Und sie tut es auf eine wunderbare Art und Weise. Das Hinterland: die Familie Wie schafft sie es, immer wieder Mut zu schöpfen, auch später als umstrittene Schriftstellerin? 1988 veröffentlicht sie ihren ersten Roman. Sie schockiert Indien und wird doch deren bestverkaufte Autorin. "Ich bin nicht mehr als eine gewöhnliche Frau, die gelegentlich etwas riskiert hat", sagt sie über sich und "Schreiben ist sogar besser als Sex". Es muss einen Ruhepunkt geben in ihrem Leben voller Arbeitswut, bisweilen Fanatismus sogar. Wer ihre Autobiografie schließlich bis zu Ende verschlungen hat, findet ihn heraus. Es sind ihre Familie und ihre sechs Kinder: "Das und nur das zählte. Es war das Einzige, das je gezählt hatte. Was machte alles andere schon aus? Hier war mein Glück. Hier fühlte ich mich geborgen, sicher und geliebt... Das war der Himmel. Er musste es sein." Welch' himmlischer Schluss! Shobhaa De: Wie die Erinnerung es will, Deutsch von Uschi Gnade, dtv, München 2008, 624 Seiten, 18,90 Euro, ISBN 978-3-423-24673-6
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