Zum ersten Mal werden in einem Buch, die Personen unter die Lupe genommen, über die wir sprechen, wenn wir uns mit dem islamistischen Terrorismus auseinandersetzen. Was geht in den Köpfen von
Attentätern wie Mohamed Bouyeri, der Theo van Gogh ermordete, oder Said Bahaji, Mitglied der Hamburger Terrorzelle, vor?
Resultat biografischer Krisen
Die Autoren versuchen zu erklären, warum sich Einzelne dem Terrorismus zu wandten. Sie schildern deren Biografien und suchen dabei nach den Brüchen, an denen die Entwicklung junger Menschen
zu Gewalttätern begann. Dabei widmen sie sich nicht nur der jungen radikalisierten Generation in Europa, sondern auch ausführlich den Entwicklungen in Ländern wie Marokko, Afghanistan oder
Pakistan.
Doch insbesondere durch die Betrachtung der dritten und vierten Generation der Muslime in Europa wird aufgezeigt, wie stark das Abgleiten junger Menschen in fundamentalistisch islamische
Organisationen aus dem Spannungsfeld von muslimischer Tradition und westlichen Werten resultiert.
So kommen die Autoren zu der These, dass die Hinwendung zum Islam ein Resultat biographischer Krisen sei. - Vielleicht zu einfach. Doch diese These macht es uns möglich einen Einblick in die
persönlichen Hintergründe von Menschen zu erlangen, die einer uns völlig fremden Kultur angehören.
Entwicklung des Dschihad
Eingeleitet wird das Buch mit einem kurzen Abriss des sogenannten Karikaturenstreits, der hier geradezu als ein Vorbote auch für kommende Auseinandersetzungen und Konflikte gesehen wird.
Anschließend wird erläutert, wie der Dschihad entstand, um sich schließlich mit einzelnen Personen auseinanderzusetzen, die mit ihren Attentaten den Verlauf des Dschihad entscheidend geprägt haben.
Neben einer Bestandsaufnahme und Analyse des sogenannten Google-Islamismus und der "virtuellen Umma (islamischen Gemeinschaft" widmen sich die Autoren abschließend den geistigen Vätern und
Vorbildern der Dschihadisten.
Auf dieser grundlage wird es dem Leser möglich, das Verhalten der Islamisten zu verstehen und die Entwicklung des Dschihad nachzuvollziehen, ohne unbedingt Verständnis dafür aufzubringen.
Ein sehr lesenswertes Buch, insbesondere, verfasst von einem hochkarätigen Autorentrio: Souad Mekhennet ist Politikwissenschaftlerin und arbeitet über Islamismus und Terrorismus unter anderem
für die "New York Times", die "FAZ" und das ZDF. Claudia Sautter, langjährige ARD-Korrespondentin in Nord-Afrika, ist zurzeit politische Redakteurin beim Hessischen Rundfunk. Michael Hanfeld leitet
die Medienseite der "FAZ" und ist Spezialist für Pakistan und Afghanistan.
Henriette Müller
Souad Mekhennet, Claudia Sautter, Michael Hanfeld: Die Kinder des Dschihad. Die neue Generation des Terrors in Europa, Piper Verlag, 2006, € 14, ISBN 3-492-04933-8
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